Marco Streller, wie nehmen Sie die Einschätzungen nach der 1:2-Niederlage gegen Moskau wahr?
Die Niederlage wird teilweise etwas eigenartig eingeschätzt. Eigentlich sind die Einschätzungen in dieser Saison sowieso zuweilen ein wenig komisch. Wir bewegen uns von einem Extrem ins andere, es scheint in der Aussenwahrnehmung oftmals nur Schwarz und Weiss zu geben. Trotz aller Emotionalität versuche ich, die negativen Einschätzungen nicht zu stark an mich heranzulassen. Genauso wenig wie die überschwänglichen Berichte nach den Siegen gegen Lissabon und Moskau. Eins muss man uns lassen: Wir wollten Emotionen auslösen, egal in welche Richtung – das haben wir geschafft.
«Ich will niemandem vermitteln, dass ‹nichts passiert ist›. Viel lieber vermittle ich: ‹Hey, wir sind voll dabei!›»
Die öffentliche Wahrnehmung scheint sich tatsächlich kaum in den Grautönen zu bewegen. Sie können das dem Fussballfan aber kaum übelnehmen.
Natürlich nicht. Es ist von aussen auch schwierig einzuschätzen, was zum Beispiel gegen Moskau in den zwei Halbzeiten passiert ist, was da nach der Pause anders wurde. Alan Dzagoev ist reingekommen und man hat sofort gemerkt: Dieser Spieler macht die Mannschaft besser, er gibt ihr Vertrauen, und wenn immer die Mitspieler keine Lösung mehr hatten, spielten sie den Ball zu ihm. Moskau mit und Moskau ohne Dzagoev sind zwei verschiedene Mannschaften. Zudem war die zweite Halbzeit für uns wahrscheinlich die schlechteste in dieser Champions-League-Kampagne.
In diesen 45 Minuten haben Sie die historische Chance verpasst, sich zum frühstmöglichen Zeitpunkt für den Achtelfinal zu qualifizieren. Welche Reaktionen wurden an Sie herangetragen nach dieser Niederlage?
Viel Enttäuschung. Wir selbst waren alle auch enttäuscht. Aber für uns war es ein anderes Gefühl als nach den Niederlagen gegen Lausanne oder St. Gallen. Da dachten wir: Ach, Mist! In der Champions League hingegen haben wir trotzdem sechs Punkte nach vier Spielen, zudem spricht die Direktbegegnung gegen Moskau für uns und wir sind mit höchstwahrscheinlicher Sicherheit nächstes Jahr noch europäisch dabei. Glauben Sie mir, damit wäre ich vor der Saison sofort einverstanden gewesen.
«Weil ich mit Rückschlägen gerechnet habe, habe ich auch mit Kritik gerechnet.»
Wie moderieren Sie die Situation intern? Flüstern Sie einfach allen Spielern ein, dass mit der Niederlage gegen Moskau eigentlich gar nichts passiert ist?
Ich habe am nächsten Tag schon gespürt, dass die Mannschaft wieder fokussiert ist. Sie geht erhobenen Hauptes in das Spiel gegen die Young Boys, und ich glaube, es ist gut, dass wir wenige Tage nach dem Moskau-Spiel gleich gegen dieses Team antreten. Aber um Ihre Worte aufzugreifen: Ich will niemandem vermitteln, dass «nichts passiert ist». Viel lieber vermittle ich: «Hey, wir sind voll dabei!»
Einen Teil der öffentlichen Kritik müssen Sie verstehen. Jenen, dass die Basler Mannschaft noch nicht sehr stabil ist, dass sie zuweilen fragil wirkt.
Die Ausschläge nach oben und nach unten sind kleiner geworden. Vor allem die nach unten. Allerdings gebe ich Ihnen Recht: Das Team ist noch nicht ganz stabil, aber viel stabiler als noch vor zwei Monaten. Was jetzt passiert, ist ganz normal. Wir müssen gewisse Rückschläge einstecken, zeigen aber auch Spiele, in denen sich das unglaubliche Potenzial dieser Mannschaft offenbart. Weil ich mit den Rückschlägen gerechnet habe, habe ich auch mit Kritik gerechnet. Nicht gerechnet habe ich mit der Heimniederlage gegen Lausanne und dem Heimunentschieden gegen Lugano. Hätten wir diese fünf Punkte nicht verspielt, lägen wir lediglich zwei Punkte hinter YB.
«Wir müssen uns gegen den Leader nicht verstecken, auch wenn YB sehr gut ist.»
Die Anhängerschaft erwartet vor allem nach dem Sieg gegen Lissabon fast schon Wunder vom FC Basel. Zahlen Sie einen Preis für diesen Sieg?
Nein, denn die Mannschaft hat den Sieg ja umgehend mit dem Erfolg in Moskau bestätigt. Intern können wir das alles richtig einschätzen: Gegen Lissabon ist so viel für uns gelaufen, da wird man halt überschwänglich bewertet. Auf der anderen Seite gab es Spiele, gegen Lausanne beispielsweise, in denen Kleinigkeiten gegen uns liefen. Und oft sind es also diese Kleinigkeiten, mit denen die öffentliche Wahrnehmung kippt.
Am Sonntag kommt YB zum Spitzenspiel in den St.-Jakob-Park. Mit einer Niederlage hätten Sie zehn Punkte Rückstand, die Öffentlichkeit würde sich wieder eine pointierte und sehr kritische Meinung bilden.
Das stimmt. Aber wenn wir gewinnen, ist das Momentum auf unserer Seite. Wir müssen uns gegen den Leader nicht verstecken, auch wenn YB sehr gut ist. Es wird ein Spiel auf Augenhöhe, und obschon dabei noch keine Vorentscheidung fallen kann, wären zehn Punkte Rückstand eine echte Ansage. Gewinnen wir, sind es vier Zähler. Bei diesem überschaubaren Rückstand, der Qualifikation für den Cupviertelfinal und sechs Punkten in der Champions League, wäre wieder mal etwas Ruhe im Stall.