Spät am Abend, als die Zuschauer längst der Kälte entflohen waren und die Rasenpfleger ihr Arbeitsgerät in die Garage brachten, da legte sich manch einer ins Bett mit diesem Gedanken: Das war ein schwacher Auftritt des FC Basel gewesen.
Zu dieser Annahme darf man kommen, wenn man sich im Medienzentrum umhört oder die Kommentarspalten in den sozialen Medien als Indikator für die öffentliche Meinung nimmt. Von einer «lächerlichen zweiten Halbzeit» ist da die Rede, von «Fantasielosigkeit» gegen ein Moskau, «das keine Übermannschaft ist». Und der «Blick», eines der auflagenstärksten Schweizer Presseerzeugnisse, schreibt von einem «rabenschwarzen Abend».
Machen wir doch mal zwei Schritte zurück. Der FCB hat gegen ZSKA Moskau 1:2 verloren und steht mit sechs Punkten auf dem zweiten Rang hinter dem makellosen Manchester United. Basel hat gegen ein Team verloren, das mit einer Abwehr von kaum zu überbietendem Erfahrungswert eine Führung über die Zeit brachte, das mit einer gescheiten Umstellung in der Pause die Lösung fand und das in Alan Dzagoev den überragenden Mann in seinen Reihen hatte, einen Qualitätsfussballer, den es in Basels Kader so nicht gibt. Gegen dieses Team hat der FCB mit dem Gesamtscore von 4:3 die Direktbegegnung aber für sich entschieden.
Die Niederlage in Spiel vier ist keine Überraschung. Und schon gar nicht vor dem Hintergrund, dass der FCB bereits jetzt ein Saisonziel erreicht hat, mit dem er in dieser Gruppe nicht unbedingt hatte rechnen können: Er wird auch im Frühjahr europäisch spielen, auch wenn das rechnerisch noch nicht in trockenen Tüchern ist.
Basel wurde nach den Siegen gegen Lissabon und Moskau zu euphorisch bewertet und der Anhang hat es genüsslich aufgesaugt.
Trotzdem waren am Dienstagabend alle enttäuscht, dass man sich nicht zum frühestmöglichen Zeitpunkt für den Achtelfinal der Champions League qualifiziert und damit den historischen Coup geschafft hat. Basel hatte die Geschichtsbücher im Kopf und dabei das Pflichtenheft vergessen. Das Pflichtenheft, in dem Demut und eine realistische Einschätzung der Geschehnisse stehen. Es befremdet, dass beispielsweise Dimitri Oberlin sagt, er und die Mannschaft seien «sehr frustriert». Und es befremdet auch, dass Trainer Raphael Wicky seine Enttäuschung in den Vordergrund stellt.
Dieser FC Basel wurde nach den Siegen gegen Lissabon und Moskau zu euphorisch bewertet. Er selbst hat mit seiner Aussendarstellung daran mitgearbeitet und der Anhang hat es genüsslich aufgesaugt. Den Fans wurde ein 5:0-Sieg gegen Lissabon serviert, sie wollten Gleiches gegen Moskau erleben – und die Qualifikation für den Achtelfinal allein reicht offenbar nicht, sie muss geschichtsträchtig sein. In dieser Wahrnehmung geht das Bewusstsein verloren, dass sechs Punkte aus vier Champions-League-Spielen für ein Team dieser Gewichtsklasse eine vorzügliche Leistung sind.
Es besteht die Gefahr, dass der FCB dieses verlorene Bewusstsein in den Ligaalltag mitnimmt. Am Sonntag empfängt er im St.-Jakob-Park die Young Boys zum Spitzenkampf. Spätestens dann muss die interne Wahrnehmung so modelliert sein, dass sie keine lähmende Wirkung entfacht. Einzelschicksale wie jenes von Renato Steffen, der seit 18 Spielen nicht mehr getroffen hat, oder Marek Suchy, der sich gegen Moskau nicht zum ersten Mal in dieser Spielzeit einen entscheidenden Fehler leistete, müssen dem Gesamtinteresse untergeordnet werden.
Die Verfassung dieser Mannschaft kann erst am Sonntag bewertet werden. Gewinnt der FCB gegen YB, schrumpft der Vorsprung der Berner auf überschaubare vier Punkte. Gewinnen aber die Young Boys, wächst er auf zehn Zähler an. Es wäre ein Indiz dafür, dass dieser Mannschaft eine Fragilität innewohnt, die zum Hindernis im Rennen um den Meistertitel werden kann. Aber zu diesem Schluss kann man zumindest nach der Niederlage gegen Moskau noch nicht kommen. Denn passiert ist eigentlich: gar nichts.