Auf Kaffee und Kultur in Sarajevo

Vor zwanzig Jahren war Sarajevo als die belagerte Stadt im Bosnien-Krieg in den Schlagzeilen. Wer die Hauptstadt heute besucht, muss die Spuren des Krieges suchen.

(Bild: Lukas Mäder)

Vor zwanzig Jahren war Sarajevo als die belagerte Stadt im Bosnien-Krieg in den Schlagzeilen. Wer die Hauptstadt heute besucht, muss die Spuren des Krieges suchen.

Wenn sich die Nacht über die Stadt senkt, der Muezzin zum Gebet ruft und der Reisende hungrig in Sarajevo ankommt, dann ist es Zeit für Ćevapi. Zum Beispiel bei Ferhatović in der Baščaršija (Bravadžiluk 29). Durch schmale Gässchen, über grosse Steinplatten, führt der Weg uneben durch die Altstadt Sarajevos. Die ersten Händler schliessen bereits ihre Geschäfte in den kleinen Holzhäuschen. Aus anderen dringt noch Licht auf die Gasse, vor der Türe steht der Besitzer, hält einen Schwatz. Bekannte grüssen ihn im Vorbeigehen.

Vor zwanzig Jahren war Sarajevo weltweit in den Schlagzeilen als die belagerte Stadt im Bosnien-Krieg. Fast vier Jahre dauerte die Belagerung, über 10’000 Personen kamen ums Leben, viele Gebäude und Kulturgüter wurden zerstört. Heute präsentiert sich die Stadt in neuem Glanz, zumindest die äusserlichen Spuren des Krieges sind kaum noch sichtbar. Sarajevo zeigt wieder seine faszinierende Mischung der Epochen, der Stile, der Kulturen.

Die Ćevapi – umgangssprachlich für Ćevapčići – kommen auf einem Metallteller, zehn Stück der gegrillten Hackfleischröllchen sind eine normale Portion, mit einem speziellen Fladenbrot (Lepinja) und rohen Zwiebeln. Dazu passt ein Glas Trinkjoghurt. Die Preise sind moderat: 7 Mark die Portion Ćevapi, 1 Mark das Joghurt – umgerechnet 4 Euro. In Bosnien hat faktisch die Deutschmark überlebt, die nach dem Krieg als Zahlungsmittel eingeführt und später von der bosnischen Konvertiblen Mark (KM) abgelöste wurde.




Schmecken so gut, dass sie schneller weg sind, als der Fotografin lieb ist: Ćevapi in Sarajevo. (Bild: Karen N. Gerig)

Nach dem Essen ist es Zeit für einen Spaziergang und für einen Kaffee – am besten einen traditionellen türkischen Kaffee, im kleinen Kännchen gereicht, auf Wunsch gezuckert. Oder einen Espresso, der in Bosnien meist ebenfalls einen feinen Mokka-Geschmack hat. In der Baščaršija kehrt abends bald schon Ruhe ein, nur wenige Restaurants und Cafés haben den ganzen Abend offen, meist auch versteckt in den Hinterhöfen. Denn das alte Marktviertel aus osmanischer Zeit ist zwar Anziehungspunkt für Touristen, aber immer noch zu einem Teil in der Hand der traditionellen Handwerker.




Schwarz, aber süss: Den bosnischen Kaffee geniessen die Einheimischen in der Regel gesüsst, dazu gibt es auch noch Lokum, eine Art festen Zuckersirup. (Bild: Karen N. Gerig)

Westlich daran schliesst sich das eigentliche Stadtzentrum an. Die Strassen muten hier westlicher an mit Bürgerhäusern – viele aus der habsburgischen Zeit ab 1878 erbaut – und dazwischen einigen modernen Bauten des jugoslawischen Sozialismus. Hier sind auch abends noch unzählige Bars und Cafés geöffnet. Dort empfiehlt sich dann auch das lokale Bier Sarajevsko Pivo oder ein Glas des heimischen Weins aus der Herzegowina. Und wer Glück hat, findet eine Bar mit Live-Musik – zum Beispiel im Pink Houdini in einem Keller schräg gegenüber des Nationaltheaters.

Impressionen aus dem Houdini von 2013:

Natürlich beginnt der Reisende auch in Sarajevo seinen Tag am besten mit einem Espresso und schaut dem Treiben zu auf dem Platz vor der Kathedrale oder auf dem Korso, der Hauptflaniermeile im Stadtzentrum (Ferhadija). Neu gepflastert erinnern nur noch einige Granattrichter, ausgegossen mit roter Farbe, an den Krieg. Während die Sarajli, die Bewohner Sarajevos, am Wochenende auch gerne aus der Stadt hinausfahren, beispielsweise an die Quelle der Bosna (Vrelo Bosne), auf einen der umliegenden Berge (Jahorina, Bjelašnica) oder gar in die Herzegowina, bietet die Stadt dem Reisenden genug Sehenswertes.

Im Stadtzentrum gibt es in Fussdistanz zahlreiche Gotteshäuser zu sehen – und zwar islamische, katholische, orthodoxe und jüdische. Hervorzuheben sind die Begova Džamija (Gazi-Husrev-Beg-Moschee), die alte orthodoxe Kirche aus dem 16. Jahrhundert am Rande der Altstadt sowie die alte Synagoge, in der heute das Jüdische Museum untergebracht ist. Erst kürzlich fertig saniert und wieder zugänglich ist die Vijećnica. Unter den Habsburgern im pseudomaurischen Stil als Rathaus erbaut, diente sie später als Nationalbibliothek und wurde am Anfang des Bosnien-Kriegs in Brand geschossen und zerstört – so wie auch Tausende Bücher darin.




Im Krieg in Brand gesetzt, nun fast noch schöner neu eröffnet: die Nationalbibliothek (mehr Bilder in der Bildstrecke). (Bild: Lukas Mäder)

Die Restauration der Vijećnica kostete Millionen, finanziert unter anderem von Österreich und der Europäischen Union. Andere Kulturinstitutionen ausserhalb des Zentrums, Richtung Novo Sarajevo, kämpfen hingegen um jeden Fening (Pfennig). Nicht immer mit Erfolg: Das Nationalmuseum ist geschlossen, aus Geldmangel. Das Historische Museum (Zmaja od Bosne 5) ist derzeit geöffnet, auch wenn das Gebäude von aussen nicht so aussieht.

Im Innern bekommt der Reisende einen Eindruck vom Leben in der belagerten Stadt: Büchsen mit Rindfleisch, Pflanzenöl in Blechkanistern von internationalen Organisationen, improvisierte Taschenlampen und kleine Holzofen zum Heizen und Kochen. Es sind Relikte einer anderen Zeit, letzte Spuren des Krieges, der erst 20 Jahre zurückliegt. Aber bereits praktisch nur noch im Museum zu finden ist.

  • Essen: Inat Kuća, Veliki Alifakovac 1 (traditionelle bosnische Küche); Buregdžinica Bosna, Bravadžiluk 11 (Burek).
  • Hören: Jazz & Blues Club Pink Houdini, Branilaca Sarajeva 31.
  • Sehen: Jüdisches Museum, Velika avlija.
  • Schlafen: Garni Hotel Konak, Mula Mustafe Bašeskije 54 (mit Blick aufs Herz der Altstadt). Im Hotel können auch Touren gebucht werden, etwa die Kriegsschauplatz-Tour, die einem die Lage im Krieg der Stadt und die Bedeutung des «Tunnels der Hoffnung» näher bringt.

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