„Es ist verrückt!“ So erklären Akteure von Lausanne und Zürich, dass es heute in der Playoff-Viertelfinalserie zwischen Qualifikationssieger ZSC Lions und Aufsteiger Lausanne zu einem Spiel 7 kommt.
Wenn die Lausanner das verrückte Szenario zu erklären versuchen, ist der Stolz über die eigenen Leistung gut herauszuhören. Die Worte sprudeln aus ihnen heraus. Niemand hatte dem Lausanne HC im letzten Jahr jeglichen Kredit gewährt, nun geniessen sie am Genfersee den Augenblick. Ganz anders die Lions: Auch sie finden es „verrückt“, was ihnen in den letzten Wochen passiert ist. Die Zürcher klammern sich nur noch an Durchhalteparolen und den in der Qualifikation erkämpften Heimvorteil.
Sollte Lausanne tatsächlich weiterkommen, wäre es die grösste Schweizer Playoff-Sensation seit 1992, als der Zürcher SC als Siebenter der Qualifikation in einer damals noch unausgeglichenen Liga in den Viertelfinals in einer Best-of-5-Serie das „Grande Lugano“ rauswarf. Von 2005 bis 2009 scheiterte zwar gleich viermal der Qualifikationssieger schon in den Viertelfinals, die Bezwinger damals hiessen aber Bern (gegen Lugano 2005), Kloten (gegen Bern 2006), Fribourg (gegen Bern 2008) und Zug (gegen Bern 2009) und gehörten selber dem erweiterten Favoritenkreis an.
Den Lausanne Hockey Club hingegen hatte niemand auf der Rechnung. Als die Waadtländer vor elf Monaten gegen Langnau den Aufstieg schafften, war der Transfermarkt abgesehen von einigen Langnauer Absteigern ausgetrocknet. In den Prognosen vor der Saison wurde Lausanne ganz hinten platziert, obwohl doch die Lakers über ein Abonnement auf den 12. Platz verfügen. Noch ein paar Tage vor Ende der Qualifikation hielten es Experten für unwahrscheinlich, dass Lausanne den 8. Platz gegen den grossen SCB würde behaupten können. Und als die Romands vor drei Wochen in der allerletzten Runde die sensationelle Qualifikation geschafft hatten, verabschiedeten 9000 Zürcher im Hallenstadion den SC Bern mit einem frenetischen „Allez Lausanne!“.
Lausannes Held, nicht erst in den Playoffs, heisst Cristobal Huet. Der 38-jährige schweizerisch-französische Doppelbürger legte bislang eine Traumsaison hin. Huet repräsentiert das Kernstück des ausgezeichneten Lausanner Abwehrbollwerks. Ihm verdankt es der LHC, dass er in 50 Qualifikationsspielen bloss 115 Gegentore kassierte – nur vier mehr als der Zürcher SC, aber 85 weniger als Rapperswil-Jona. Huet weiss, dass seine Mannschaft in Zürich nichts verlieren kann, denn „egal, was jetzt noch passiert, unsere Saison war ein voller Erfolg“. Der Goalie denkt, dass die Gegner Lausannes Spielweise immer noch nicht durchschaut haben. Huet: „Vor der Saison kannte uns noch niemand. Mittlerweile haben wir uns Respekt erarbeitet. Aber am Mittwoch wird uns die ganze (Hockey-)Schweiz kennen, denn am Dienstagabend schauen alle Hockeyfans nach Zürich. Der Druck liegt beim Gegner. Wenn wir unser System beibehalten, uns wenig Fehler leisten und auf unsere Gelegenheit warten, dann stehen unsere Chancen 50:50.“
Und die ZSC Lions? Die suchen mittlerweile verzweifelt ein Spielsystem. Captain Severin Blindenbacher räumt selbst nach sechs Playoff-Partien ein, dass „wir unser Spiel noch nicht gefunden haben“. Derweil Lausanne sämtliche Partien mit nahezu der gleichen Aufstellung bestritt, rotiert der Zürcher Trainer Marc Crawford mittlerweile von Drittel zu Drittel. Die in der Qualifikation grandiose Sturmlinie mit Roman Wick, Luca Cunti und Robert Nilsson wurde am Samstag in Lausanne in ihre Einzelteile zerlegt. Selbst der Torhüter (Flüeler) wurde aus dem eigenen Lager (Crawford) destabilisiert. Die Nerven liegen blank, nicht nur bei der Mannschaft, sondern auch in der Teppichetage. Es droht ein mühsames Aufarbeiten des Scheiterns.
Edgar Salis, der Sportchef, ist nahezu der einzige mit noch klarem Blick. Schliesslich müssen die Spieler von Berufes wegen Optimismus verbreiten, auch wenn ihnen das im Moment nicht so richtig gelingen will. Und Marc Crawford, der Trainer, suchte am Samstag in Lausanne-Malley die Fehler nicht primär beim eigenen Team, sondern thematisierte den Theaterspieler John Gobbi, der die Spieldauerstrafe gegen Marc-André Bergeron herausgeholt hatte. „Gobbi spielt wie ein Fussballer, nicht wie ein Eishockeyaner“, sagte Crawford und will das als Beleidigung verstanden haben.
Salis sieht es aber richtig, wenn er feststellt, dass „wir unter dem Strich sicher zu wenig gut spielen“. Was machen die Lions alles falsch? Salis: „Diese Antwort ist einfach: Wir spielen zu kompliziert. Die Spielzüge sind zu kompliziert. Die Gradlinigkeit fehlt. Wir leisten uns zu viele Scheibenverluste, und diese brachen uns nun schon dreimal das Genick. Wir kommen schlecht aus der eigenen Zone raus. Und das sind alles Sachen, die uns während der Qualifikation stark gemacht haben. Wir sind von der Rolle und bei einigen Spielern stimmt die Form nicht. Zuletzt muss man aber auch sehen, dass Lausanne sehr gut und sehr diszipliniert Hockey spielt. Das dürfte der Hauptgrund für unsere Probleme sein.“
Schwarz sieht Salis für das kapitale Spiel 7 aber nicht. „Mein Gefühl ist immer noch gut“, sagt er. „Wir verfügen erstens über den Heimvorteil und zweitens über eine erfahrene Mannschaft, die sich aus der Vergangenheit solche Situationen gewöhnt ist.“ Salis weiss auch, dass es in den Playoffs zuweilen rassig aufwärts gehen kann: „Oder wie war das vor einem Jahr mit Bern?“ Die Antwort können wir geben: Bern lag vor einem Jahr in den Viertelfinals gegen Servette mit 1:3 und in den Halbfinals gegen Zug mit 2:3 Siegen zurück, gewann aber beide Serien in sieben Spielen und wurde am Ende Meister.