Lange sah es so aus, als hätte die Maschine den Kampf gegen die Menschen gewonnen. Das ändert sich nun vielleicht.
Ein erfolgreiches Klonen von Menschen ist bisher nicht bekannt, und bei so einigen würde man sich das auch nicht wünschen. Völlig identische Produkte spazieren aber jeden Tag in unzähligen Mengen von Fliessbändern, deckungsgleiche Mehrlingsgeburten der industriellen Revolution. War es einst den besten Handwerkern vorbehalten, bis ins Detail perfekte Dinge zu erschaffen, gelingt das Maschinen heute auf Knopfdruck. Auch die Natur hat ihre Produktion bitte schön dem Gleichmacher-Anspruch anzupassen – krumme Gurken etwa kommen ins Glas oder weg.
«Zeichen für Authentizität»
Der Kampf «Mensch gegen Maschine» schien also entschieden – aber in den letzten Jahren wurde der Spiess ein wenig gedreht, die inneren Werte haben an Bedeutung gewonnen (auch wenn der Photoshop-Einsatz auf Werbebildern nicht darauf hindeutet). Schrumplige Bioäpfel kosten viel mehr als äusserlich perfekte Granny Smith, «Fehler im Gewebe sind kein Qualitätsmangel, sondern ein Zeichen für Authentizität», und irgendwie aufs Blech gegossene Schokolade, von der man nur unregelmässige Stücke abbrechen kann, lockt trotz stolzem Preis mindestens so viele Kunden wie perfekte Reihen.
Das hängt zum einen damit zusammen, dass gleichgeschaltete Produkte mittlerweile die Regel sind und Menschen oft das begehrenswerter finden, was anders ist als das, was alle anderen haben. Zudem sind immer gleiche Sachen irgendwann langweilig. Ein weiterer Grund könnte sein, dass unperfekte Sachen irgendwie sympathischer sind, weil sie uns ähneln; wir Menschen sind ja auch nicht perfekt, egal, wie sehr wir es versuchen.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 18.01.13