Als das eigene Auto noch die grenzenlose Freiheit versprach, liess man sich gerne am Steuer bedienen.
Die Idee des Drive-in war, wen wunderts, eine amerikanische. Wie Wikipedia uns belehrt, handelt es sich bei diesem Begriff allerdings um einen «Pseudoanglizismus», denn in richtigem Englisch müsste ein Drive-in nämlich Drive-through heissen, also (hin-)durchfahren, da Drive-in korrekt übersetzt hineinfahren bedeutet. Da «through», wie Wikipedia in geradezu genialer Wortschöpfung schreibt, «für deutsche Muttersprachler unaussprechlich» sei, werde in deutschsprachigen Ländern der Begriff Drive-in verwendet, auch in der Schweiz. Dem Himmel sei Dank, denn auch wir «Dialektmuttersprachler» haben mit dem «Ti-Eitsch» bekanntlich unsere liebe, von kleinen Speichelfontänen begleitete Mühe.
Saubere Sache
Zu den Blütezeiten des Drive-in gab es in der fortschrittlichen Welt Drive-in-Restaurants, Drive-in-Kinos, Drive-in-Banking, Drive-in-Apotheken, Drive-in-Detailgeschäfte und sogar Drive-in-Baumärkte. Von Drive-in-Textilreinigungsfirmen ist bei Wikipedia rein gar nichts zu lesen, was entweder den Verdacht erhärtet, dass die nach Eigendeklaration «freie Enzyklopädie» einmal mehr sachkundlich unverzeihliche Lücken aufweist. Oder aber, was wir in Basel als «Anders-Ticker» bzw. «Anders-Tickler» viel lieber daraus ableiten würden, dass am Rheinknie, zumindest kurzfristig, die einzige Drive-in-Reinigung weltweit betrieben wurde. Eine saubere Sache war das damals allemal, abgesehen natürlich von den Abgasen, die durch das Drive-in beziehungsweise Drive-through produziert wurden.
Auch wenn Drive-in-Betriebe gemäss Wikipedia heute eher zur Rarität geworden sind, ist der Begriff «Drive» weltweit noch immer in höchstem Masse «in». Drive steht für Schwung und Dynamik, Leuten mit «Drive» gehört die Zukunft. «Drive» beherrscht das Wirtschaftsleben, regiert die Gesellschaft, bestimmt Kultur und Sport. Ohne «Drive» wirkt alles statisch, und wer keinen «Drive» entwickelt, der wird in aller Regel als Langweiler, beruflich oft genug sogar als Versager empfunden.
«Drive» und «Drive» ist zweierlei
In was uns dieser zur unreflektierten Tugend hochstilisierte «Drive» letztlich führt, erleben wir täglich in allen nur möglichen Formen. Nachhaltig ist er selten; zu lernen gibt es daraus in positiver Hinsicht bestimmt nicht allzu viel. Immerhin hat uns das 1960 von Kurt Wyss aufgenommene Bild von der ersten Drive-in-Reinigung in Basel dank Wikipedia einen beglückenden neudeutschen Ausdruck beschert, den wir unter uns Muttersprachlern nicht so schnell vergessen sollten. Dank sei der freien Enzyklopädie!
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 18.01.13