Der Klimawandel vertreibt immer mehr Tiere und Pflanzen aus ihren angestammten Lebensräumen und zwingt sie, sich eine neue Heimat zu suchen. Eine neue Studie in der Fachzeitschrift «Nature» zeigt, wie Arten dem Klima hinterherwandern.
Forscher der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) haben zusammen mit Kollegen aus Australien, Grossbritannien und den USA untersucht, wie sich das Klima in den vergangenen 50 Jahren in den verschiedenen Erdteilen veränderte – und welche Auswirkungen das auf die Verbreitung der Tierarten hat.
«Wir haben untersucht, in welche Richtungen sich der Klimawandel bewegt», sagt Professor Wolfgang Kiessling von der FAU. Denn nicht alle Regionen hätten sich gleich stark erwärmt, in manchen sei es sogar kühler geworden.
Wandernde Korallen
«Wir haben nachgewiesen, dass die Tiere im Meer und an Land diesen Veränderungen tatsächlich folgen», sagt Kiessling. «Der Hering wandert aus der Nordsee in den Nordatlantik ab, der Kabeljau in die Polarregionen.» Sogar Muscheln und Korallen machten das – über Generationen hinweg durch Fortpflanzung.
Auch bei Pflanzen sind solche «Wanderungen» zu sehen, wie der Biologe Ingolf Kühn vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Halle berichtet. «Der Meerfenchel kam früher vor allem in der Bretagne vor. Durch die abnehmende Zahl der Winterfröste hat er sich aber inzwischen bis nach Deutschland ausgebreitet.»
Weg vom Äquator
Es gibt Gebiete wie am Äquator, aus denen viele Tiere fliehen, weil es dort zu warm wird. Die Forscher bezeichnen diese Regionen als «Quellen». «Das bedeutet, dass dort Arten auswandern, aber keine neuen Arten zuwandern. Die Diversität schwindet hier», sagt Kiessling.
Dann gibt es Regionen, aus denen es kein Entkommen gibt – etwa Küsten oder Berge. Kiessling und seine Kollegen nennen sie «Senken». «Am Gipfel eines Berges oder an der Küste sind die Arten gefangen. Und im Meer treffen die Tiere auf Land und kommen ebenfalls nicht weiter», sagt Kiessling.
Diese beiden Arten von Klimaregionen machten derzeit etwa ein Fünftel der Erdoberfläche aus. Bis zum Ende des Jahrhunderts werde sich ihre Grösse aber voraussichtlich verdoppeln.
Besonders spannende Gebiete seien sogenannte Korridore, wo sich verschiedene Arten aus angrenzenden Regionen treffen und gemeinsam weiter wandern. «Beim Aufeinandertreffen wird es Gewinner und Verlierer geben», sagte Kiessling.
Gebirge als Treffpunkt
Zu einem Treffpunkt für Tierarten aus unterschiedlichen Richtungen könnten auch das Gebirge zwischen Norwegen und Schweden sowie die Alpen werden. «In Europa bewegen sich die meisten Arten laut der Studie nach Nordosten. Das ist auch das, was wir beobachten», sagt Kühn.
Alice Boit vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung betont: «Es wird sicher nicht nur zum Aussterben von Arten kommen, sondern es wird auch Änderungen in der Zusammensetzung und in den Häufigkeiten von Arten in bestimmten Regionen geben.»
Die Studie soll daher auch helfen, den Artenschutz effizienter zu machen. Schutzmassnahmen seien vor allem dort sinnvoll, wo sich das Klima nur langsam ändere. «Tierschützer sollten lieber dahin gehen, wo die Chancen am besten sind, noch etwas zu bewirken», sagt Kiessling.