Gemeinden sollten Ausländerinnen und Ausländer vermehrt in politische Ämter wählen können und sie so stärker integrieren. Angeregt wird dies nicht von einer linken Partei, sondern von der liberalen Denkfabrik Avenir Suisse in einer Studie zum passiven Wahlrecht.
Derzeit gewähren 600 Gemeinden mit gesamthaft mehr als einer Million Einwohnern Ausländerinnen und Ausländern das passive Wahlrecht. 575 dieser Gemeinden sind in der Westschweiz, 22 in Graubünden und 3 in Appenzell Ausserrhoden.
Im Gegensatz zur Westschweiz hat die politische Mitbeteiligung der ausländischen Bevölkerung auf kommunaler Ebene im deutschen Sprachraum einen schweren Stand. Verschiedene Initiativen wurden in den vergangenen Jahren abgelehnt, so etwa in den Kantonen Aargau und Zürich.
Dort, wo es das passive Wahlrecht gibt, ist die Zahl der politisch aktiven Ausländer nach wie vor «relativ gering», wie aus der am Dienstag publizierten Studie von Avenir Suisse hervorgeht. In den 317 Gemeinden, die sich an einer Umfrage des Thinktanks beteiligt haben, sind 148 Ausländer in Parlamenten und 19 in Exekutivbehörden aktiv.
Die geringe Beteiligung führt Avenir Suisse, zumindest teilweise, auf die ungenügende Informationslage zurück. Die politischen Rechte von Ausländern seien vielen unbekannt und würden kaum beworben. Bei einem Ausländeranteil von einem Viertel oder gar einem Drittel sei die politische Mitbestimmung von Ausländern jedoch keine «Marginalie» mehr.
In der Schweiz bestehe eine «merkwürdige Schräglage», stellt Gerhard Schwarz, Direktor von Avenir Suisse, fest. Menschen, die mit ihren unternehmerischen Entscheiden, etwa die Schaffung oder die Aufhebung von Arbeitsplätzen, ganze Regionen massiv beeinflussen könnten, dürften nicht einmal mitentscheiden, ob in ihrer Gemeinde eine Umfahrungsstrasse gebaut oder ein Schulhaus erweitert werden soll.
Schritt in die richtige Richtung
In der Praxis hat sich laut Avenir Suisse das passive Wahlrecht für Ausländer bewährt. Vor allem in der Westschweiz seien gute Erfahrungen gemacht worden. Keine einzige der befragten Gemeinden denke daran, das Ausländerwahlrecht wieder abzuschaffen.
Gewaltig viel verändert habe das Ausländerstimmrecht bisher nicht. «Aber es hatte ganz gewiss nirgends negative Auswirkungen», stellt Schwarz fest. Dennoch wäre es seiner Ansicht nach eine Verschwendung von Zeit und Ressourcen, den guten Willen und die Energie der niedergelassenen Ausländer ungenutzt zu lassen.
Das Stimmrecht auf lokaler Ebene sei «ein Schritt in die richtige Richtung». Damit könne ein Zeichen gesetzt werden, dass die Zuwanderer im Einwanderungsland Schweiz als wichtige Glieder der Gesellschaft wahrgenommen werden, heisst es in der Studie.
Gemeinden nicht zwingen
«Keine Gemeinde sollte dazu gezwungen werden, Ausländern das passive Wahlrecht zu geben, aber keine sollte davon abgehalten werden», meint Andreas Müller, Vizedirektor von Avenir Suisse. Mit dem passiven Wahlrecht erhielten Ausländer die Chance, ihre Wurzeln an ihrem Wohnort zu festigen und könnten mit ihrem Engagement zugleich zur Stärkung der politischen Milizsystems beitragen.
Das Stimmrecht für Ausländer sei «kein revolutionärer Akt», sondern eine behutsame Annäherung an die Realität. Die enge Verknüpfung der politischen Rechte mit der Staatsbürgerschaft erweise sich angesichts der zunehmenden Mobilität als immer weniger sachgerecht. Die politische Integration der Langzeit-Immigranten sei eine «demokratische Notwendigkeit».
Das Stimmrecht für Ausländer sei «kein revolutionärer Akt», sondern eine behutsame Annäherung an die Realität.
Die Studie zum passiven Wahlrecht für aktive Ausländer entstand im Nachgang zur französischen Übersetzung der im Januar erschienenen Schrift «Bürgerstaat und Staatsbürger», in dem Avenir Suisse für eine Belebung des Milizsystems durch einen «Bürgerdienst für alle» wirbt.
Dabei stellte die Denkfabrik fest, dass es zum Thema politische Integration von Ausländern keinerlei Daten gab. Mit einer eigenen, schweizweit durchgeführten Erhebung wollte Avenir Suisse deshalb mit einer eigenen Umfrage etwas Licht ins Dunkel bringen.
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Alles zur Studie von Avenir Suisse gibts auf deren Website.