Die Bundesanwaltschaft (BA) ermittelt in mehr Fällen als bislang bekannt wegen des Diebstahls von Bankdaten. Sie hat „weitere ähnliche Verfahren“ wegen des Verdachts auf gegen Schweizer Banken gerichteten wirtschaftlichen Nachrichtendienst am Laufen, wie Bundesanwalt Michael Lauber in einem Interview sagte.
Gegenüber den Zeitungen „Tages-Anzeiger“ und „Der Bund“ wollte Lauber im heute veröffentlichten Interview keine weiteren Angaben zu den Verfahren machen – weder welche Finanzinstitute noch welche Staaten betroffen seien. Er verwies dabei auf das Untersuchungsgeheimnis.
Neben dem Fall des Diebstahls von Bankdaten von deutschen Kunden der Credit Suisse sind bislang nur noch Ermittlungen im Falle der Genfer Filiale der britischen Bank HSBC bekannt. Dabei waren Kundendaten in die Hände französischer Fahnder gelangt.
Im Fall der von Deutschland heftig kritisierten Haftbefehle gegen drei ihrer Steuerfahnder bezeichnete Lauber den Zeitpunkt der Ausschreibung als „reinen Zufall“. Die Haftbefehle waren im März erlassen worden.
Beweislage deutet auf deutschen Auftrag hin
Der BA war von deutscher Seite vorgeworfen worden, sie sei von der Politik instrumentalisiert worden und habe deswegen die Haftbefehle just zu jener Zeit ausgestellt, als die Verhandlungen über das Steuerabkommen mit Deutschland ins Stocken geraten waren. Die BA sowie der Bundesrat hatte danach immer wieder die Unabhängigkeit der Justiz betont.
Die BA kenne zwar die „Grosswetterlage“ bei internationalen Verhandlungen, sagte Lauber dazu, aber: „Wir kennen bei zwischenstaatlichen Verhandlungen nicht jeden Termin und jeden Schritt. Unsere Aufgabe besteht darin, Straftaten zu verfolgen.“ Die BA könne und dürfe zudem „nicht auf alles und jeden Rücksicht nehmen“.
Gemäss Lauber deutet die „Beweislage“ im CS-Fall darauf hin, dass die Bank im Auftrag deutscher Behörden ausspioniert worden ist. Er widersprach der Darstellung deutscher Behörden, wonach die Datendiebe von sich aus die Daten angeboten und sich die deutschen Fahnder nur passiv verhalten hätten.
Keine Verfolgung „bis zum Mond“
Gefragt, warum die BA die drei deutschen Steuerfahnder nur in der Schweiz und nicht international zur Verhaftung ausgeschrieben habe, schiebt Lauber den Ball den deutschen Behörden zu: „Alles rührt daher, dass wir von den Deutschen seit zweieinhalb Jahren im Gesamtverfahren keine Antwort auf Rechtshilfeersuchen bekommen.“
Zudem sei es um die Wahrung der Verhältnismässigkeit gegangen. Es sei klar gewesen, dass die Deutschen „ihre Leute nicht ausliefern“, sagte Lauber.
„Ich bin nicht getrieben von einer Mission. Ich habe nicht den Wahn, jeden zu verfolgen. Sonst müsste ich jeden bis zum Mond zur Fahndung ausschreiben“, fügte der Bundesanwalt an. Die drei Steuerfahnder seien ausgeschrieben worden, „damit wir diese Personen einvernehmen können, wenn sie Schweizer Boden betreten“.