Babuschki in der Kaserne

Sechs junge Frauen als sechs alte Frauen. Sie ist ein Mütterchen ist ein Mütterchen ist ein Mütterchen. Nimmt man aus dem letzten Mütterchen noch einmal ein Mütterchen steckt auch da noch eins drin. So kennen wir die geschnitzten Babuschki. Svetlana Zemliakova führt uns sechs dieser wunderbaren Wesen vor – ebenso liebevoll wie hintersinnig wie scharf […]

Theater Babushki in der Kaserne Basel.

Sechs junge Frauen als sechs alte Frauen. Sie ist ein Mütterchen ist ein Mütterchen ist ein Mütterchen. Nimmt man aus dem letzten Mütterchen noch einmal ein Mütterchen steckt auch da noch eins drin. So kennen wir die geschnitzten Babuschki. Svetlana Zemliakova führt uns sechs dieser wunderbaren Wesen vor – ebenso liebevoll wie hintersinnig wie scharf beobachtet.

(Bild: zVg)

Sechs junge Frauen als sechs alte Frauen. Sie ist ein Mütterchen ist ein Mütterchen ist ein Mütterchen. Nimmt man aus dem letzten Mütterchen noch einmal ein Mütterchen, steckt auch da noch eins drin. So kennen wir die geschnitzten Babuschki. Svetlana Zemliakova führt uns sechs dieser wunderbaren Wesen vor – ebenso liebevoll wie hintersinnig wie scharf beobachtet.

Als Julia Wosnessenskaja in den Achzigerjahren ihr russisches «Frauen-Dekameron» veröffentlichte, stand die Mauer noch. Damals blickten die Frauen, die die Autorin zu Wort kommen liess, noch kampfeslustig der Zukunft ins Auge. Die heutigen Babuschkas von Svetlana Zemliakova blicken dem Kommenden nur ungern ins Auge: Fast sehnen sie sich nach ihm, dem Tod. Die Betrogenen sind Betrogene sind Betrogene. Erst hat der Krieg ihnen die Liebe geraubt. Dann die Kinder. Dann hat der Kommunismus sie verbogen. Dann hat der Kapitalismus sie zu wertloser Ware gemacht. Jetzt leben sie, in Winkeln, in Hütten, in Schuppen. Und doch strahlt jede von ihnen mehr Lebenslust aus als sie noch Leben vor sich haben.

Auf den Dörfern des sibirischen Hinterlandes hat Svetlana Zemliakova sie gefunden. Auf Video hat sie sie festgehalten und zurück nach Moskau gebracht. Die Erzählungen der alten Frauen. Von ihren verlorenen Kindern. Von ihren ungeliebten Männern. Von Untertassen und Überschuhen. Von Betrunkenen und Soldatentänzen. Dann hat sie diese Zeugnisse mit sechs jungen Frauen nachgestellt, oder besser, noch einmal neu erfunden und mit liebevollster Akribie in Szene gesetzt. Jetzt sitzen sie vor uns. Und singen ihre hinreissenden Lieder. Schüchtern. Lebensklug. Verhärmt. Sie beugen sich herunter zum Mikrofon. Sie atmen schwer. Sie reden nicht viel. Aber sie sagen es mit wunderschön eigenen Worten. In ihrer eigentümlichen Dialekten. Ohne eine Sekunde Kitsch haben sogar ihre Lieder noch Trotz und Liebe und Mutterwitz. Sechs Geschichten finden sich zum Chor vom Leid der Frauen. Nur Klagen kommen keine über ihre Lippen. Dazu hat das Leben schon zu lange an ihnen geschnitzt.

Erst nachdem wir die sechs Babuschkis alle gründlich betrachten durften, schält sich aus der letzten schliesslich die Jüngste, die Kleinste: Wir hatten es gewusst. Aber in der Tat ist es trotzdem verblüffend, wenn die sechs jungen Frauen im Röckchen dann vor uns stehen: So einfach sind kleine Theaterwunder.

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