Nach den schweren Krawallen infolge des Tods des Afroamerikaners Freddie Gray kehrt in die US-Ostküstenstadt Baltimore allmählich die Normalität zurück. Am Sonntag hob Bürgermeisterin Stephanie Rawlings-Blake nach fünf Tagen die nächtliche Ausgangssperre auf.
Die Ausgangsperre werde mit sofortiger Wirkung aufgehoben sagte die Bürgermeisterin. «Ich danke den Bürgern von Baltimore für ihre Geduld», fügte sie hinzu.
Der Gouverneur des Bundesstaates Maryland, Larry Hogan, sagte am Sonntag vor Journalisten, die Nationalgarde habe mit dem Abzug aus Baltimore begonnen. Der Abzug werde einige Tage dauern. Die Behörden versuchten, so schnell wie möglich zur Normalität zurückzukehren.
Hogan rief zu «Heilung» und Gebeten auf. Der Gouverneur sprach auch die finanziellen Folgen für die Stadt an: Durch die Krawalle am Montagabend seien 200 Geschäfte zerstört worden, die meisten davon seien nicht versichert gewesen. «Hunderte Millionen Dollar gingen verloren», sagte der Gouverneur.
Tausende Menschen waren am Samstag erneut zu Protesten gegen Polizeigewalt und Rassismus auf die Strasse gegangen. Die Kundgebung verlief friedlich, streckenweise herrschte eine fröhliche Atmosphäre. Zugleich zeigten sich die Demonstranten entschlossen, den Druck auf Politik und Polizei aufrechtzuerhalten, und zahlreiche Redner forderten ein Ende der Ausgangssperre.
Strafverfahren als Wende
Zur Beruhigung der Lage trug die Entscheidung der Staatsanwaltschaft vom Freitag bei, Strafverfahren gegen drei weisse und drei schwarze Polizisten einzuleiten. Die Behörde legt dem Fahrer des Gefangenentransporters unter anderem Mord mit bedingtem Vorsatz zur Last.
Die Vorwürfe gegen die fünf anderen Polizisten reichen von Amtsverletzung über Freiheitsberaubung und Körperverletzung bis zu fahrlässiger Tötung. Gray sei «illegal festgenommen» worden, weil er kein Verbrechen begangen habe.
Die sechs bereits vom Dienst suspendierten Polizisten kamen gegen Kautionszahlungen zwischen 250’000 bis 350’000 Dollar frei. Am 27. Mai sollen sie einem Richter vorgeführt werden.
«Ungeheuerlichen Vorverurteilung»
Der Anwalt von Grays Familie, William Murphy, lobte das entschiedene Vorgehen und den «beispiellosen Mut» der Staatsanwaltschaft. Die Polizeigewerkschaft in Baltimore sprach hingegen von einer «ungeheuerlichen Vorverurteilung».
Der 25-jährige Freddie Gray hatte nach seiner Festnahme Mitte April so schwere Verletzungen erlitten, dass er eine Woche später starb. Die zunächst friedlichen Demonstrationen schlugen Anfang der Woche in heftige Strassenschlachten um. Daraufhin verhängte die Bürgermeisterin die Ausgangssperre, die ab Dienstag galt. Zudem wurden etwa 3000 Nationalgardisten in die Stadt entsandt.
Seit den Schüssen auf den schwarzen Teenager Michael Brown in der Stadt Ferguson im vergangenen August hat eine Reihe tödlicher Polizeieinsätze gegen Afroamerikaner in den USA für Empörung gesorgt. In mehreren Fällen zeigen von Passanten aufgenommene Videos brutales Vorgehen von Beamten. Viele Afroamerikaner sehen Gray als das jüngste Opfer der Polizeigewalt.