Die Film-Kommissarin Charlotte Schwab ermittelt in Basel: Wo steckt der Basler Film? Was hat die Basler Schauspielerin, die in Hamburg lebt, gesehen?
Die Film-Kommissarin aus Basel kommt von Dreharbeiten aus Köln. In der Nacht habe sie, sagt sie, in einem kalten See schwimmen müssen. So sei das Leben in Figuren. Am Abend danach steht sie auf der Schauspielhausbühne in Basel. Dort würde Sie auch gerne wieder einmal spielen, sagt sie. Stattdessen steht sie nun auf der Bühne und sagt etwas zum Basler Filmschaffen. Sie hat mit ihren Kollegen Dominik Bernet und Pio Corradi als Jurorin die Gewinnerinnen des Basler Filmpreises ausgewählt.
Müde vom Nachtdreh in Köln gestern?
Noch schlimmer: Ich habe meine Lese-Sonnenbrille im Dunkel der Nacht verloren. Beim Schwimmen. Man macht als Schauspielerin viel, was man im Leben nicht unbedingt täte.
Sie leben in Hamburg. Jetzt sind Sie Jurorin für den Basler Filmpreis. Sehen Sie Basler Filme auch in Deutschland?
Leider kaum. Ich war sehr positiv überrascht. Was ich von den für den Basler Filmpreis Nominierten gesehen habe, hat Niveau. Weil ich in Deutschland Schweizer Filme nur selten sehe, ahnte ich das gar nicht. Man sieht in Deutschland vielleicht Schweizer Filme, weil deutsche Schauspieler mitspielen. Umso mehr habe ich mich gefreut: Basel hat eine grossartige Dokumentarfilmszene. Und Basel scheint sie gerne zu sehen.
Die Jury hat entschieden. Jetzt steht die Siegerin fest: «Neuland» von Anna Thommen
Von den vier Langfilmen waren alle Dokumentarfilme, und alle sehr spannend. Die Entscheidung war schwer aber trotzdem einhellig. In «Neuland» wird eine tolle Geschichte aus der Wirklichkeit auf die Leinwand geholt. Berührend, und derart persönlich. Das hat mich sehr beeindruckt. Auch die «Reise zum sichersten Ort der Welt» ist ein hervorragend gemachter Film, obwohl er kaum Hoffnung lässt. Das mag ich nicht so. «Neuland» vermittelt auch eine weitergehende Hoffnung, und beweist, dass Film gleichzeitig den Nerv der Zeit treffen und die Geschichten von gewöhnlichen Menschen einfangen kann.
Jetzt kommen Sie wieder einmal nach Basel
Wunderbar. Obwohl ich morgen gleich wieder zurück muss, zum Dreh. Basel ist in vielerlei Hinsicht beeindruckend. Zum Beispiel als Kinostadt. Ich kann das mit Hamburg vergleichen. Dort gibt es nicht diese Vielfalt, die auch durch die Landessprachen beeinflusst wird. Ich habe beim Visionieren der nominierten Filme auch sehr gern diese Stadt immer wieder in den Filmen gesehen.
Haben Sie einen Liebling unter den nominierten Filmen?
Ich fand alle sehr beindruckend. Aber ich liebe die Verrückten, die die ein Wagnis eingehen. Und die Jungs, die diesen Parkour machen in «Sommer-Challenge Parkour». Die sind wirklich der Hammer: Da machen die sich nach Paris auf, um von einem mehrstöckigen Haus zu springen. Und dann gelingt das auch. Und niemand sieht das, ausser ein paar Nachbarn im Ghetto da draussen. Und wir. So einfach ist das. Das ist ein tolles Gefühl, das Film geben kann: Toll, dabei gewesen zu sein. Ja, und Film kann einen neuen Blick verschaffen.
Was heisst das? Springen Sie jetzt auch über Garagendächer?
Höchstens in einer Rolle. Nein, ich meine die Lebensweise von den Jungs: Die sehen in einer Stadt Steine, Wälle, Schluchten, Abstürze. Ich schaue mir die Stadt danach anders an.
Ich muss zugeben, dass ich auch noch beim zweiten Anschauen etwas ins Schwitzen gekommen bin. Sie spielten in «Alarm für Cobra 11» und das «Duo» Komissarinnen. Wer wie Sie fast ununterbrochen vor der Kamera steht, sammelt viel Erfahrung. Was raten Sie jenen, die in Basel Filme machen?
Ich kann zum Dokumentarfilm nicht viel sagen. Der Spielfilm befolgt ganz andere Gesetze. Am meisten fehlt es im Filmschaffen der Schweiz wohl an Drehbüchern. Drehbücher werden bei uns meist zerredet. Drehbücher sollten in Gruppen von Spezialisten geschrieben werden. Wenn das Schweizer Fernsehen produziert, reden sehr viele Leute mit, die vom Drehbuchlesen vielleicht etwas verstehen, aber nicht vom Schreiben.
Sollte Basel Drehbücher fördern?
Drehbücher sollten überhaupt mehr von Spezialisten geschrieben werden. Ich kenne kaum Regisseure, die auch Drehbücher schreiben können. «Neuland» wäre ein gutes Lehrbeispiel für ein Drehbuch: In einer fiktionalen Form liesse sich diese Geschichte wunderbar erzählen.
Können Sie als Schauspielerin Einfluss auf das Drehbuch nehmen?
Wenn ich das Drehbuch sehe, ist es meist zu spät. Nur ganz selten treffen sich die Schauspieler vor dem Dreh zu einer Leserprobe und können noch Anregungen machen.
Ist denn ein gutes Drehbuch Garant für einen guten Film?
Eben nicht. Das sieht man bei vielen Literaturverfilmungen. Filme machen heisst vor allem in Bildern erzählen. Und Bilder sind in Büchern kaum zu fassen.
Wieso setzt man Sie in der Schweiz nicht als Ermittlerin ein?
Ich spiele ja nicht nur Ermittlerinnen. Ich finde auch Mörderinnen spannend. Aber ich spiele alles gern, was meine Phantasie anregt. Im Moment spiele ich in einem Film über eine Alters-Wohngemeinschaft. Ein schönes Drehbuch, lustig, leicht. Da lese ich das Drehbuch und meine Phantasie fängt sofort an zu arbeiten. Trotzdem kann ich nie sagen, ob ich das Buch zu einem guten Film vor mir habe. Ich bin wohl keine gute Drehbuchleserin.
Wohin sollte das Geld fliessen, mit dem der Film gefördert wird?
Ins Drehbuch, da sind die Lücken in der Schweiz am grössten. Und Regisseure sollten in der Arbeit mit Schauspielern geschult werden. Sie sollten von der Schauspielerei mehr verstehen. Regisseure kümmern sich meist vor allem um die technischen Aspekte der Arbeit. Der Vergleich hinkt zwar, aber auch im Fussball werden Leute, die als Akademiker im Sportgeschichte-Studium aufgefallen sind ganz selten Trainer.
A Propos Fussball: Wie lautet die Final-Begegnung?
Brasilien – Argentinien.
Und die Schweiz?
Ach, so, ja. Brasilien – Schweiz. Ich sehe das wie in einem guten Film: Die Hoffnung stirbt zuletzt.