Der Kanton Basel-Stadt will Breite und Gellert nicht mit teuren Dächern vor Autobahnlärm schützen: Deren Kosten von geschätzten gut 600 Millionen stehe zu wenig Nutzen gegenüber, hiess es am Montag vor den Medien. Der Osttangente-Rheintunnel werde diese Quartiere stark entlasten.
Dächer über der Grossbasler A2 waren schon in einem gescheiterten Projekt enthalten. Eine Einhausung der Autobahn würde aber allein im Breite-Abschnitt 43 Millionen Franken kosten, sagte Kantonsingenieur Roger Reinauer. Für die wenige Meter entfernten Mehrfamilienhäuser entstünde eine Art «chinesische Mauer»; das «städtebauliche Problem» wäre zu gross.
Den anschliessenden Gellert-Abschnitt zu überdecken, wo diverse Autobahn- und Eisenbahn-Spuren verlaufen, würde gar rund 560 Millionen kosten. Die gewonnene Fläche wäre mangels Kellerraum wohl nicht für Gebäude, sondern nur für Spiel und Sport nutzbar. Darum beschloss die Regierung laut Reinauer, auf beides zu verzichten.
Stattdessen sollen mit der anstehenden Osttangente-Sanierung des Bundes ab 2019 Lärmschutzmassnahmen realisiert werden, die über das gesetzliche Minimum hinaus und damit zulasten des Kantons gehen. Was genau indes noch zu definieren; Messungen laufen. Die Regierung will dazu 2017 dem Grossen Rat einen Kredit beantragen. Substanzielle Entlastung versprach Reinauer mit dem künftigen Autobahn-Rheintunnel.
Tunnelprojekt «läuft»
Für diesen Tunnel, der die überlastete Osttangente entlasten soll, hat das Bundesamt für Strassen (ASTRA) erste Ingenieuraufträge von 20 Millionen Franken inzwischen rechtskräftig vergeben. «Das Projekt läuft», sagte der zuständige ASTRA-Filialchef Richard Kocherhans. Die Kosten für den Tunnel werden weiter auf 1,4 Milliarden Franken geschätzt.
Die vom ASTRA Mitte 2014 vorgeschlagene neue Tunnelverbindung soll zwischen dem A2-Zubringer Birsfelden und der Nordtangente entstehen. Es soll die bestehende Autobahn vom Verkehr mit Frankreich und dem Westen Basels sowie Allschwil BL entlasten. Der Bund will laut ASTRA diese pro Richtung einspurige Basisvariante finanzieren.
Die Basisvariante soll ab 2040 ein Verkehrsvolumen von rund 40’000 der bisher (Stand 2010) knapp 100’000 Fahrzeuge im Tag von der Osttangente nehmen. Zusätzliche knapp 20’000 Fahrzeuge sollen den Tunnel nutzen, wenn er auch noch Anschlüsse nach Norden zur Deutschen Autobahn A5 und zwei Fahrspuren pro Richtung bekommt.
BS-Anteil von 120 Millionen möglich
Diesen Deutschland-Zusatz-Ast will der Stadtkanton denn auch realisieren lassen. Laut Reinauer wird er auf rund 300 Millionen Franken geschätzt. Diesen Ast plant das ASTRA daher gleich mit, will ihn aber nicht alleine bezahlen. Der Bundesbeitrag bemesse sich am Nutzen für die Nationalstrasse, hiess es.
Um die Kosten zu senken und auch um die noch nicht fertig gebaute Erlenmatt vor neuerlicher Locherei zu verschonen, schlägt der Kanton dem Bund vor, den Ast nur in Fahrtrichtung Norden zu bauen, nicht aber nach Süden. Dafür sollen als neue Extrawünsche eine weitere Zufahrt im Gebiet Horburg dazukommen und eine Tunnelausfahrt zum Rheinhafen.
Laut Reinauer übernimmt der Bund vom Deutschland-Ast maximal 60 Prozent, womit Basel-Stadt mindestens 120 Millionen tragen müsste, verteilt über ein paar Jahre. Der klamme Nachbar Baselland hatte in Sachen Kostenbeteiligung bereits früher abgewinkt – trotz Nutzen für Birsfelden BL. Dort dürfte übrigens laut Kocherhans aus Platzgründen die Haupt-Tunnelbaustelle sein.
Europäische Nord-Süd-Achse
Das Generelle Bauprojekt für den Rheintunnel soll bis etwa 2018 vorliegen und vom Bundesrat 2020 abgesegnet werden. Es soll die Kosten mit plusminus zehn Prozent Genauigkeit konkretisieren, samt Verteilschlüssel. Den Baubeginn sieht das ASTRA bestenfalls 2029, die Inbetriebnahme des Tunnels acht Jahre später, frühestens 2037.
Davor, von 2018 bis voraussichtlich 2025, plant das ASTRA unter laufendem Verkehr an der bestehenden Osttangente dringliche Instandstellungsarbeiten für 111 Millionen Franken, darunter solche zum Lärmschutz. Eine echte Sanierung soll erst folgen, wenn der Tunnel steht.
Die Osttangente ist Teil der Nord-Süd-Achse zwischen Deutschland und Italien. Mit bis zu 150’000 Fahrzeugen ans Spitzentagen ist die Autobahn aus den 1960er- und 1970er-Jahren überlastet. Ein 2008 vorgelegtes Ausbauprojekt mit oberirdischer Führung war wegen markanter Mehrbelastung für Anwohner chancenlos gewesen.
Der Tunnelvorschlag hatte laut Kocherhans das Thema «deblockiert». Die Regierung habe «die Reissleine gezogen» angesichts des enorm breiten Widerstandes, sagte nun Baudirektor Hans-Peter Wessels. Das oberirdische Projekt (namens «Strukturverbesserung Osttangente STOT») wäre «nie gebaut worden» – Kocherhans pflichtete ihm bei.