Nachwuchsprobleme, sinkende Wettbewerbsfähigkeit und falsche Anreize: Der Schweizerische Bauernverband (SBV) bezeichnet die aktuelle Situation seiner Branche als besorgniserregend. Sein Gegenrezept ist die bereits eingereichte Initiative für Ernährungssicherheit.
Die Situation sei schwierig, sagte SBV-Direktor Jacques Bourgeois am Dienstag vor den Medien in Bern. Jeder dritte Betriebsleiter über fünfzig Jahre habe keinen Hofnachfolger. Das liegt laut dem Bauernverband auch daran, dass sich ausserhalb der Landwirtschaft deutlich mehr verdienen lässt.
Hauptgrund für die unbefriedigende wirtschaftliche Situation seien die tiefen Produzentenpreise, sagte Bourgeois gemäss Redetext. Obwohl sich die Konsumentenpreise im Laden seit Jahren wenig veränderten, seien die Preise für die Landwirtschaftsprodukte stark gesunken – insbesondere bei der Milch, bei Schweinefleisch oder beim Zucker.
«Der starke Franken und der Einkaufstourismus machen diese Situation nicht besser», sagte SBV-Präsident Markus Ritter. Der Bauernverband wolle den Grenzschutz nicht ausbauen, stellte er klar. Ein weiterer Abbau müsse aber verhindert werden. Die Schweizer Landwirtschaft habe ohne Grenzschutz keine Chance.
Mehr Freiräume gefordert
Aus Sicht des Bauernverbands könnte die Schweizer Landwirtschaft allerdings billiger produzieren, wenn die Anforderungen an die Landwirte gesenkt würden. Weil nur Direktzahlungen bekommt, wer genau geregelte Vorgaben erfüllt, sei die Schweizer Landwirtschaft zwar ein Vorbild, was Ökologie und Tierschutz anbelange.
Die Kehrseite der Medaille sei jedoch, dass die Schweizer Landwirtschaft dadurch noch teurer produziere, als es aufgrund der Topografie und dem hohen Kostenumfeld ohnehin schon der Fall wäre, sagte Bourgeois.
Junge Landwirte bräuchten unternehmerische Freiheiten, ergänzte Hans Hofer vom landwirtschaftlichen Bildungs- und Beratungszentrum Inforama. Die wachsende Abhängigkeit vom Tropf des Staates sei für die jungen Berufsleute unbefriedigend, schreibt der Bauernverband.
Buntbrache lukrativer als Brotgetreide
Aus Sicht des Bauernverbands stellt die Politik nicht nur zu hohe Anforderungen, sondern setzt auch falsche Anreize. «Es ist unterdessen lukrativer, eine Buntbrache zu säen, statt Brotgetreide anzubauen und zu verkaufen», sagte Bourgeois. Die Bauern sähen ihre Aufgabe jedoch in der Produktion von Lebensmitteln.
Den Landwirten und Landwirtinnen fehle eine langfristige Perspektive, konstatiert der Bauernverband. Die Kundgebung Ende November in Bern gegen die Sparpläne des Bundes sei «auch ein Zeichen der grossen Verunsicherung» gewesen, was die Zukunft der Landwirtschaft und ihre Aufgaben anbelange.
Mehr Menschen, knappe Ressourcen
Der Bauernverband nutzte an der Jahresmedienkonferenz die Gelegenheit, für seine Initiative für Ernährungssicherheit zu werben, die er vergangenes Jahr eingereicht hatte. Die Unterschriften dafür hatte er innert nur dreier Monate gesammelt.
Ziele der Initiative sind die Stärkung der einheimischen Lebensmittelproduktion und die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Bauern. Die Initiative sei nötig, weil die aktuelle Situation besorgniserregend sei, sagte Ritter. Mit der Initiative wolle der Bauernverband die Schwächen der aktuellen Gesetzgebung ausbügeln.
Zudem solle die weltweite und nationale Entwicklung antizipiert werden: immer mehr Menschen, die ausreichend Essen brauchen, bei gleichzeitig zunehmend knapp werdenden Ressourcen. Die ressourcenschonende Produktion von Lebensmitteln ist laut Ritter «die grosse Herausforderung der Zukunft».