Was den Schweizern die Vignette, ist den Österreichern das «Pickerl». Die Autobahnvignette sorgt derzeit für rote Köpfe bei unseren Nachbarn: Österreichs Polizei will künftig auch auf einem kurzen Autobahnabschnitt nahe der deutschen Grenze die Vignettenpflicht durchsetzen. Der «Pickerlstreit» droht in Strassenblokaden zu enden.
16 Jahre lang hatte die Polizei auf Kontrollen auf der Tiroler Inntalautobahn verzichtet. Davon profitierten vor allem Wintersportler aus Bayern auf ihrem Weg in die Tiroler Skigebiete.
Doch nun könnte der «Pickerlstreit» zwischen dem deutschen Bundesland Bayern und dem benachbarten Österreich eskalieren. Vom 1. Dezember an soll die Vignettenpflicht zwischen der Grenze in Kiefersfelden und der Anschlussstelle Kufstein-Süd der A12 durchgesetzt werden.
Finden die Bundesregierung in Wien und die Staatsregierung in München nicht in letzter Minute zueinander, droht am Sonntag die Totalblockade der Inntalautobahn – auf bayerischer und auf Tiroler Seite.
120 Euro Busse
«Die Mautfalle schnappt zu», betitelt der Allgemeine Deutsche Automobilclub (ADAC) am Mittwoch eine Mitteilung, die auf die drohenden Kontrollen hinweist. Macht die staatliche österreichische Autobahngesellschaft Asfinag ernst und erwischt einen Autofahrer ohne «Pickerl», kostet das 120 Euro.
Der ADAC und sein österreichischer Partner-Club ÖAMTC forderten Verkehrsministerin Doris Bures auf, die Kontrollen auszusetzen, bis ein länderübergreifendes Verkehrskonzept stehe, «das Rücksicht nimmt auf die Interessen und die Gesundheit der von den Verkehrsverlagerungen belasteten 25’000 Anrainer».
Österreich hatte auf dem Autobahnabschnitt auf die Vignette verzichtet, um den Verkehr nicht durch die Orte entlang der Fernstrasse zu lenken. Genau das befürchten die Bürger zwischen Oberaudorf und Kufstein aber nun. «Kommt die Maut, werden wir künftig an jedem Wochenende mit Ausweichlern überflutet», schimpft Kiefersfeldens Bürgermeister Erwin Rinner im «Münchner Merkur».
Unterstützung bekommen die betroffenen Gemeinden im Inntal von hoher Stelle. «Ich bedauere die Uneinsichtigkeit der österreichischen Bundesregierung sehr», sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann schon vor zwei Wochen, als sich seine Wiener Kollegin Bures erneut weigerte, die Ausnahmeregelung bis zum Sommer 2015 zu verlängern.
Auch die Tiroler Nachbarn sind auf der Seite der Bayern. Die dortige Verkehrsministerin Ingrid Felipe befürwortet die eineinhalbjährige Übergangsfrist.
Bayern erlaubt Autobahnblockade
An diesem Freitag soll es in Kufstein einen letzten Einigungsversuch geben. Dann wollen sich Vertreter des Wiener Verkehrsministeriums, der Tiroler Landesregierung und Bayerns Innenstaatssekretär Gerhard Eck mit örtlichen Abgeordneten und Kommunalpolitikern an einen Tisch setzen. Die Asfinag rät schon einmal in einer Zeitungsanzeige: Vignette kleben, Ausnahme vorbei.
Bleibt Wien unnachgiebig, wird es am Sonntag die wohl erste Demonstration auf einer bayerischen Autobahn geben. Das Landratsamt in Rosenheim hat eine Protestaktion der Bürgerinitiative «Keine Maut ab Grenze» auf der A93 Richtung Süden zugelassen.
Auch Tiroler Anlieger wollen die Autobahn für drei Stunden blockieren – in beiden Richtungen. Lange Staus sind am ersten Advent also vorprogrammiert.