Bedrängt, aber nicht bedroht

Der Personalabbau bei Novartis hat heftige Proteste und Kommentare ausgelöst, weil nun auch Arbeitsplätze in der Forschung betroffen sind.

Der Personalabbau bei Novartis hat heftige Proteste und Kommentare ausgelöst, weil nun auch Arbeitsplätze in der Forschung betroffen sind.

Die Forschung ist das Kernstück des Life-Sciences-Standorts Basel, an dem direkt und indirekt rund 120 000 Arbeitsplätze hängen. Pharma ist der Wachstumsmotor für die Region; die Wachstumsraten in der Nordwestschweiz liegen seit mehr als einem Jahrzehnt stets über jenen der Schweiz; 27 Prozent aller Schweizer Exporte stammen aus dieser Branche und allein Novartis steuert dazu 28 Milliarden Franken bei. Wenn man der Novartis Schweiz die Forschung weg-nimmt, schadet das der ganzen Region und dem ganzen Land.

Von der Chemie zur Pharma

Will das bei Novartis wirklich jemand? Der Leiter von Novartis Schweiz, Armin Zust, bestreitet es vehement. Joe Jimenez, Chef der Konzernleitung, beteuert, am Forschungsstandort Basel wolle man auf jeden Fall festhalten. Das schliesse freilich Veränderungen nicht aus, auch im Bereich Forschung nicht.

Schon in der Vergangenheit hat es im Sektor Chemie/Pharma dramatische Umwälzungen gegeben. In der Massenchemie gingen Tausende von Arbeitsplätzen verloren. Da aber gleichzeitig der Pharmabereich noch stärker ausgebaut wurde, beschäftigt die Branche heute mehr Personal in der Schweiz als vor der Bereinigung. Auch in der Forschung hat es immer wieder Verschiebungen von Arbeitsplätzen gegeben – in der Vergangenheit allerdings meistens zugunsten des Standorts Basel, der innerhalb der Novartis privilegiert ist: Mehr als ein Drittel der Forschungsgelder fliesst nach Basel (pro Mitarbeiter in der Schweiz fast fünfmal so viel wie in den Rest der Welt). Die jährlichen Investitionen pro Mitarbeiter sind in der Schweiz dreimal so hoch wie an anderen Standorten. Selbstverständlich ist dann auch der Umsatz pro Schweizer Mitarbeiter um ein Vielfaches höher als jener im Ausland – auch wenn der in der Schweiz realisierte Teil davon wesentlich geringer ist.

Die Bekenntnisse der Chefetage, kombiniert mit den in den letzten Jahren geschaffenen Fakten wie dem Campus, sprechen dafür, dass der Forschungsstandort Basel der Novartis auf längere Sicht erhalten bleibt. Ob im gleichen Umfang wie bisher, ist allerdings eine andere Frage. Novartis ist ohnehin schon seit Längerem kein schweizerisches Unternehmen mehr. Nur 45 Prozent der Aktien sind noch in der Schweiz registriert, allein 43 Prozent in den USA. Im elfköpfigen Verwaltungsrat sitzen fünf Schweizer, eine relativ grosse Gruppe; in der Konzernleitung bilden fünf Amerikaner, einschliesslich CEO Joe Jimenez und Forschungschef Mark C. Fish-­ man, die Mehrheit. Von den weltweit 119’000 Mitarbeitern sind 89 Prozent im Ausland tätig – und von den elf Prozent im Inland sind rund ein Viertel Grenzgänger. Selbst am Forschungs­standort Basel ist der Anteil der ausländischen Wissenschaftler extrem hoch.Basel ist in der globalen Novartis ein Forschungsstandort unter vielen, in Konkurrenz vor allem zu den beiden anderen wichtigen Standorten in Massachusetts und Schanghai.

Weil auch der Absatzmarkt Schweiz für Novartis unbedeutend ist (rund ein Prozent des Umsatzes), müssen andere Faktoren den Ausschlag geben. So kommt Life-Sciences-Know-how in unserer Region so geballt vor wie sonst nirgends in Europa. Das Reservoir an hervorragend ausgebildeten Wissenschaftlern ist recht gross.

Nur: Novartis bedient sich an allen Hochschulen der Welt, dem Vernehmen nach aber zu einem immer geringeren Teil direkt in der Region. Die administrativen und gesetzlichen Rahmenbedingungen spielen für die Forschung eine entscheidende Rolle: Ein Bewilligungsverfahren für klinische Tests mit einem Medikament darf bei uns einfach nicht viermal so lange dauern wie in Holland. Mit den richtigen Rahmenbedingungen kann der Forschungsstandort Basel durchaus weiter gedeihen.

Novartis-Kennzahlen pro Mitarbeiter

  Schweiz Ausland Total
Mitarbeiter  12’500 106 ’918 119 ’418
Umsatz pro Mitarbeiter in CHF 48’600 487’100 441’000
Forschung pro Mitarbeiter in CHF 272’000 56’100 78’700
Investitionen pro MA in CHF 39’700 11’400 14’400
Einkäufe pro MA in CHF 189’600 31’000 46’100
Gewinnsteuer pro MA in CHF 35’300 17’000 19’000

   

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 04/11/11

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