Die Schweiz befindet sich in Minsk vor dem heutigen WM-Spiel gegen Deutschland in einer heiklen Ausgangslage. Der Viertelfinal-Einzug ist zwar weiterhin möglich, es droht aber auch ein Debakel.
«Wir spielen im Moment einfach zu wenig gut», hatte Roman Josi unmittelbar nach der 3:4-Niederlage am Montag im dritten Gruppenspiel gegen Weissrussland gesagt. Diese Aussage ist beunruhigend, weil die Baisse nun bereits seit einiger Zeit anhält. Inklusive der Testspiele in der Vorbereitung reihten die Schweizer nun sechs Niederlagen aneinander, die längste Negativserie seit 1998, als die Schweizer – allerdings saisonübergreifend – ebenfalls sechsmal in Folge verloren.
Eine der aktuellen Niederlagen kassierte die Schweiz in der Vorbereitung auswärts gegen Deutschland (0:2). Und auf eben diese Deutschen treffen die Schweizer in ihrem heutigen Schicksalsspiel wieder (Spielbeginn 15.45 Uhr). Gelingt den Schweizern in der Minsk Arena gegen den Erzrivalen der Befreiungsschlag, kann der Viertelfinal wieder zum Thema werden.
Verlieren die Schweizer jedoch auch ihr viertes Gruppenspiel, dann beginnt der Kampf gegen den Abstieg. Simpson warnte bereits vor dem weiteren Turnierverlauf: «Wir müssen aufpassen.» Unabhängig vom Ausgang des nächsten Spiels ist es gut möglich, dass den Schweizern aus den verbleibenden Partien gegen Deutschland, Finnland, Kasachstan und Lettland ein Sieg zum Klassenerhalt nicht reicht.
Es kann schnell gehen
Droht den Schweizern ein Jahr nach dem Gewinn der Silbermedaille und dem grössten Triumph in der Verbandsgeschichte tatsächlich der Abstieg? Für so unmöglich man es gehalten hatte, dass die Schweizer im Vorjahr bis in den WM-Final stürmen, so unwahrscheinlich scheint ein Fall in die B-Gruppe.
Doch dass es im internationalen Eishockey schnell gehen kann, zeigte nicht nur die WM 2013 auf, sondern auch ein Vergleich mit dem heutigen Gegner. 2009 an der WM in Bern stieg Deutschland nur deshalb nicht ab, weil es im Jahr darauf als Organisator gesetzt war. Und bei ihrer Heim-WM stürmten die Deutschen zwölf Monate später in Mannheim und Köln bis in die Halbfinals vor, unter anderem dank eines 1:0-Viertelfinalsiegs gegen die Schweiz.
Den Glanz verloren
Simpson betonte in der Vergangenheit immer wieder, wie klein die Unterschiede an einer WM geworden sind. Und an Titelkämpfen nach Olympischen Spielen, wenn die Kader der grösseren Teams in der Breite ausgedünnter sind als in anderen Jahren, verstärkt sich die Tendenz zu Überraschungen. Und deshalb ist für Simpson klar: «Wir müssen irgend einen Weg finden, um zu gewinnen.»
Dass dies keine einfache Angelegenheit werden wird, ist spätestens seit dem Spiel gegen die Weissrussen klar. Zu instabil und zu unsicher agieren die Schweizer defensiv, zu viele falsche Entscheide treffen sie, zu viele individuelle Fehler treten auf. Alles, was vor einem Jahr so spielend einfach erschien, wurde zuletzt zu einem Krampf. Den Glanz von 2013 hat die Mannschaft verloren.
«Ruhetag» vor Spiel gegen Deutschland
Vor dem Spiel gegen Deutschland versuchte es Simpson deshalb mit einem «Ruhetag». Das Eistraining war freiwillig, stattdessen stellte der Trainerstaff ein Alternativprogramm mit Abendessen zusammen. «Die Spieler müssen den Kopf frei kriegen», so Simpson. «Ich will, dass wir gegen Deutschland körperlich und mental so frisch wie möglich antreten können.» Den Vorteil, dass die Deutschen ihre zweite Partie innerhalb von zwei Tagen zu bestreiten haben, gelte es auszunutzen.
Partien zwischen der Schweiz und Deutschland wurden in der jüngeren Vergangenheit fast immer zu einer engen Angelegenheit. Unter Simpson endete keines der elf Duelle mit mehr als zwei Treffern Differenz. Und Deutschland trat in Minsk bisher solid an. Gegen Finnland kassierte das Team von Trainer Pat Cortina gestern (Dienstag) zwar seine erste Niederlage (0:4). Davor allerdings hatten die Deutschen bereits Siege gegen Kasachstan und Lettland gefeiert.
Das aus Schweizer Sicht bittere 0:1 von Mannheim vor vier Jahren war das letzte Aufeinandertreffen der beiden Mannschaften an einer WM. Davor hatte das Nationalteam (unter Simpsons Vorgänger Ralph Krueger) dreimal in Serie gewonnen.