Belgien wird künftig von einer Mitte-Rechts-Koalition einschliesslich der flämischen Separatisten regiert. Mehr als vier Monate nach den Wahlen einigten sich vier Parteien auf die Bildung einer Koalition.
Erstmals regiert auch die Neu-Flämische Allianz (N-VA) mit, die langfristig die Unabhängigkeit Flanderns und somit die Aufspaltung Belgiens will. Neuer Ministerpräsident Belgiens wird der Chef der frankophonen Liberalen, Charles Michel. Die bislang regierenden Sozialisten unter Premier Elio Di Rupio werden nicht in der Regierung vertreten sein.
Die Unterhändler der Parteien einigten sich nach einem Verhandlungsmarathon von 29 Stunden. «Alle Partner haben vorgeschlagen, dass ich die Verantwortung als Premierminister übernehmen soll», sagte Michel laut der belgischen Nachrichtenagentur Belga.
Komplizierte Verhandlungen
Regierungsbildungen sind in Belgien kompliziert, da die Regierung aus Parteien aus dem niederländischsprachigen Norden des Landes und dem frankophonen Süden bestehen muss. Nach den Wahlen 2010 hatte die Bildung einer Koalition 541 Tage gedauert, das war ein Weltrekord. Seitdem regierte der sozialistische Premierminister Di Rupo Belgien mit einer Koalition aus Sozialisten, Christdemokraten und Liberalen beider Sprachgruppen.
Zur neuen Regierung gehören jetzt die Liberalen (Open Vld), die Christdemokraten (CD&V) und die N-VA aus Flandern. Als einzige Vertretung des Südens zählen die frankophonen Liberalen dazu. Kritiker bemängeln dies.
Erstmals trägt nun die N-VA Regierungsverantwortung mit. Die flämischen Separatisten hatten bei der Parlamentswahl Ende Mai 20,3 Prozent der Stimmen bekommen und damit ihre Stellung als grösste politische Kraft des Landes ausgebaut.
Die Partei unter dem Chef Bart De Wever fordert mehr Autonomie und später die Unabhängigkeit für Flandern. Deswegen hatten die anderen Parteien auf nationaler Ebene bisher über die Sprachgrenze hinweg Koalitionen ohne die N-VA vereinbart.
Seit Ende Juni Sondierungsgespräche geführt
De Wever hatte zunächst nach Koalitionspartnern gesucht, war aber gescheitert. Seit Ende Juni hatte der Liberale Michel im Auftrag von König Philippe Sondierungsgespräche für Koalitionen geführt.
Michel und der bisherige christdemokratische Ministerpräsident Flanderns, Kris Peeters, hatten seit dem Sommer verhandelt. Lange war Peeters als Regierungschef gesehen worden, doch mit der Nominierung der flämischen Christdemokratin Marianne Thyssen zur EU-Kommissarin fiel der in Belgien nicht sonderlich beliebte Posten des Premiers an die liberale Parteienfamilie.
Ob Peeters wie geplant Vize-Premier wird, ist nach Angaben von Belga noch offen. Er habe sich zu dieser Frage noch nicht geäussert.
Die Parteien hatten sich zuvor auf Reformen wie etwa die Anhebung des Rentenalters in zwei Etappen auf 67 Jahre bis 2030 geeinigt. Derzeit liegt die Marke bei 65 Jahren. Auch eine Vereinbarung über das Budget wurde erreicht; so soll bis 2018 ein ausgeglichener Haushalt erreicht werden.
Zu diesen Vereinbarungen sagte Charles Michel laut Belga: «Das ist sehr gut für unser Land und seine Stabilität.» Der belgische Staat ist mit rund 100 Prozent der Wirtschaftsleistung hoch verschuldet.