Mit Belgien verabschiedet sich nach Spanien der nächste Titelkandidat von der EM in Frankreich. Die Belgier verlieren ihren Viertelfinal in Lille gegen ein bärenstarkes walisisches Kollektiv 1:3.
Wales abhängig von Bale? Von wegen. Der letzte britische EM-Vertreter lieferte gegen Belgien den Gegenbeweis, gewann mit einer beherzten Teamleistung und Aaron Ramsey als zweifachem Tor-Vorbereiter nicht unverdient und steht bei seiner ersten EM-Teilnahme im Halbfinal, wo Portugal wartet.
Abwehrchef Ashley Williams (30.) und der für Sam Vokes in die Startformation gerückte Stürmer Hal Robson-Kanu schossen die Waliser zum Sieg über das belgische Starensemble und in den Halbfinal. Vokes‘ 3:1 in der 86. Minute, sechs Minuten nach seiner Einwechslung, bedeutete die Entscheidung. In der Startphase hatte Radja Nainggolan die Belgier noch in Führung gebracht (10.).
Nainggolan traf für die furios in die Partie gestarteten Belgier mit einem sehenswerten Weitschuss aus 28 Metern. Doch die Waliser kriegten die Roten Teufel in der Folge unter Kontrolle und überraschten den grossen Favoriten mehr als nur einmal. Das 1:1 durch Captain Ashley Williams nach einer einstudierten Corner-Variante war verdient. Und das 2:1 durch Robson-Kanu nach schöner Vorlage von Ramsey und einer wirkungsvollen Körpertäuschung überraschte nur bedingt, obwohl die Belgier wiederum schwungvoll aus der Kabine gekommen waren.
Die Belgier versuchten zwischen dem zweiten und dritten Gegentreffer noch einmal alles. Trainer Marc Wilmots brachte mit Dries Mertens und Michy Batshuayi noch einmal zwei frische Offensivkräfte, die«Roten Teufel», die je länger je planloser agierten, schafften es aber nicht, den walisischen Abwehrriegel noch einmal zu knacken. Die beste Chance zum 2:2 vergab Fellaini, als er in der 74. Minute einen Kopfball neben das Tor setzte.
Starker Start der Belgier
Dabei waren die Belgier fulminant in die Partie gestartet und hatten dort angesetzt, wo sie beim 4:0 im Achtelfinal gegen Ungarn aufgehört hatten. Nachdem in der 7. Minute Yannick Carrasco, Thomas Meunier und Eden Hazard innerhalb weniger Sekunden jeweils an einem vor der Torlinie postierten Waliser gescheitert waren, machte es Nainggolan sechs Minuten später besser. Der defensive Mittelfeldspieler, der in der Vorrunde gegen Schweden den Siegestreffer erzielt hatte, traf mit einem herrlichen Schuss aus 28 Metern unter die Latte.
Nach dem Führungstreffer erlitt das belgische Kombinationsspiel aber einen Bruch. Die Waliser erholten sich vom Schock des frühen Gegentreffers, kämpften sich in die Partie und setzten erste spielerische Akzente. Nachdem Neil Taylor in der 26. Minute noch am glänzend reagierenden Thibaut Courtois gescheitert war, erzielte Ashley Williams nach einer halben Stunde den Ausgleich. Der Captain, der sich im Achtelfinal gegen Nordirland in der Schlussphase an der Schulter verletzt hatte, köpfelte einen Corner von Ramsey am Fünfmeterraum ein.
Hazard und Bale blass
Das Duell der Stars zwischen Bale und Hazard endete mit leichten Vorteilen zugunsten des Walisers. Vor allem vom Tempo des Angreifers von Real Madrid war die belgische Defensive, welche die Ausfälle des verletzten Jan Vertonghen und des gesperrten Thomas Vermaelen zu verkraften hatte, gelegentlich überfordert. Hazard, in den ersten vier Spielen der Auffälligste im belgischen Spiel, zeigte eine diskrete Partie. Seine beste Szene hatte er in der 50. Minute, als er den Ball knapp am langen Pfosten vorbei schlenzte.
Für Hazard und seine Kollegen bedeutete damit die Runde der letzten acht wie bereits vor zwei Jahren an der WM in Brasilien Endstation. Erneut schafften es die «Roten Teufel» nicht, ihr immenses fussballerische Potenzial vollends auszuschöpfen. Nach dem Fehlstart gegen Italien hatte sich die Mannschaft von Marc Wilmots gefangen und war mit Fortdauer des Turniers immer besser in Fahrt gekommen. In Lille scheiterten sie letztlich an einer spielerisch limitierteren, aber sehr gut organisierten und beherzt kämpfenden walisischen Mannschaft.
Die Waliser setzten derweilen auch in Lille ihre Erfolgsserie fort und feierten mit dem vierten Sieg im fünften EM-Spiel den grössten Erfolg der 140-jährigen Verbandsgeschichte. Erneut beeindruckten sie in ihrem variablen 3-2-4-1-System mit einem hervorragenden Kollektiv. Und mit Aaron Ramsey verfügten sie über den alles überragenden Einzelspieler. Der Mittelfeldspieler von Arsenal wird am Mittwoch im Halbfinal in Lyon gegen Portugal allerdings fehlen, nachdem er eine Viertelstunde vor Schluss nach einem Hands verwarnt wurde.
Das Telegramm:
Wales – Belgien 3:1 (1:1)
Stade Pierre Mauroy, Lille. – 45’936 Zuschauer. – SR Skomina (SLO). – Tor: 13. Nainggolan (Hazard) 0:1. 30. Ashley Williams (Corner Ramsey) 1:1. 55. Robson-Kanu (Ramsey) 2:1. 86. Vokes (Gunter) 3:1.
Wales: Hennessey; Chester, Ashley Williams, Davies; Allen, Ledley (78. King); Taylor, Ramsey (90. Collins), Bale, Gunter; Robson-Kanu (80. Vokes).
Belgien: Courtois; Meunier, Alderweireld, Denayer, Jordan Lukaku (75. Mertens); Witsel, Nainggolan; Carrasco (46. Fellaini), De Bruyne, Hazard; Romelu Lukaku (83. Batshuayi).
Bemerkungen: Wales komplett, Belgien ohne Vertonghen (verletzt) und Vermaelen (gesperrt). Verwarnungen: 5. Davies (Foul/im Halbfinal gesperrt). 16. Chester. 24. Gunter. 60. Fellaini (alle Foul). 75. Ramsey (Handspiel/im Halbfinal gesperrt). 85. Alderweireld (Foul).