Benedikt kritisiert „religiöse Heuchelei“ und Wetteifer in Kirche

Papst Benedikt XVI. hat am Aschermittwoch seine letzte grosse Messe als katholisches Kirchenoberhaupt geleitet. Bei dem Gottesdienst wandte er sich gegen „religiöse Heuchelei“ und forderte ein Ende von „Individualismus und Wetteifer“.

Beklagte "Sünden gegen die Einheit der Kirche": Papst Benedikt bei seiner letzten Messe als Kirchenoberhaupt (Bild: sda)

Papst Benedikt XVI. hat am Aschermittwoch seine letzte grosse Messe als katholisches Kirchenoberhaupt geleitet. Bei dem Gottesdienst wandte er sich gegen „religiöse Heuchelei“ und forderte ein Ende von „Individualismus und Wetteifer“.

„Das Gesicht der Kirche wird manchmal von Sünden gegen die Einheit der Kirche und Spaltung zwischen den Geistlichen geschädigt“, beklagte der Papst in der Messe im Petersdom in Vatikanstadt. Dabei werde das „Zeugnis“ der Kirche „umso bedeutsamer sein, umso weniger wir unseren Ruhm suchen“.

Der Gottesdienst zum Aschermittwoch war in den Petersdom verlegt werden, da der Vatikan mit grossem Andrang rechnete. Benedikt hatte sich vor der Messe bei einer seiner letzten Generalaudienzen vor seinem angekündigten Rücktritt bei den Katholiken in aller Welt für ihre Unterstützung bedankt.

„Betet weiter für mich, für die Kirche und den künftigen Papst“, sagte er vor tausenden Gläubigen. Benedikt hatte am Montag überraschend seinen Rücktritt für den Abend des 28. Februar angekündigt und dies mit seinem hohen Alter begründet. Es ist der erste freiwillige Rücktritt eines Papstes seit mehr als sieben Jahrhunderten.

Über 10’000 Gläubige

Mit der bewegenden Generalaudienz begründete Benedikt XVI. erstmals direkt vor den Gläubigen seinen Rücktritt. Bei dem Treffen mit mehr als 10’000 Katholiken dankte er für die Gebete und die grosse Anteilnahme in diesen für ihn schwierigen Tagen.

Bei seiner vorletzten Generalaudienz betrat Benedikt unter grossem Jubel tausender Gläubiger die Audienzhalle am Petersdom – langsamen Schrittes ging er zu seinem Sessel. Als er die Besucher begrüsste, brandete lauter Beifall auf.

Seine Ausführungen zum Beginn der Fastenzeit wurden immer wieder von Applaus unterbrochen und begleitet. Benedikt breitete seine Arme zum Gruss der Gläubigen aus, blieb aber sitzen.

Gelöst, aber müde

Benedikt erklärte nochmals die Gründe, die zu seiner am Montag vor Kardinälen verkündeten Entscheidung geführt hätten. Sie sei „in voller Freiheit“ zum Wohle der Kirche gefallen, betonte der 85-Jährige. Er sei sich bewusst geworden, dass er das Pontifikat nicht mehr mit der dafür notwendigen Kraft fortführen könne.

Benedikt wirkte bei der Audienz gelöst, aber auch gebrechlich und müde, mehrmals deutete er ein Lächeln an. Am Montag hatte der seit 2005 amtierende deutsche Papst seinen Rücktritt für den 28. Februar angekündigt – ein Novum in der Neuzeit.

Die letzte Generalaudienz von Benedikt XVI. ist für den 27. Februar auf dem Petersplatz geplant. Auch seine übrigen Termine will der Papst einhalten. Zusätzlich lud er Italiens Staatschef Giorgio Napolitano und Regierungschef Mario Monti zu einer Audienz ein, um sich von ihnen zu verabschieden, wie Vatikansprecher Federico Lombardi mitteilte.

Spekulationen um Nachfolge

Innerhalb von 15 bis 20 Tagen tritt dann das Konklave zusammen, das einen Nachfolger wählt. Dem Gremium gehören voraussichtlich 117 Kardinäle an. Bis Ostern soll der neue Papst gekürt sein. Einen Favoriten gibt es bisher nicht.

Einige Beobachter halten das Alter des künftigen Papstes für ausschlaggebend, andere finden es an der Zeit, dass ein Schwarzer das Amt übernimmt. Der ghanaische Kardinal Peter Turkson, der als Anwärter gilt, sagte der Zeitung „Il Messaggero“: „Ein afrikanischer Papst? Was auch immer Gottes Wille ist. Die Kirche hat überall Gläubige.“

Der Präsident von Guatemala, Otto Fernando Pérez Molina, sprach sich für die Wahl eines Lateinamerikaners aus. „Ich glaube, die Zeit dazu ist gekommen“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa.

Der mexikanische Kirchenexperte Roberto Blancarte dämpfte allerdings die Erwartungen. „Nicht bedacht wird, dass ein lateinamerikanischer Papst viel konservativer sein würde als ein europäischer“, sagte er.

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