Nach sieben verlorenen Finals in Folge strebt Benfica Lissabon heute in Turin den ersten europäischen Titel seit 1962 an. Gegner FC Sevilla ist eher glückhaft in den Europa-League-Final vorgerückt.
Der Fluch von Bela Guttmann. Er hängt seit 1962 über Benfica Lissabon. Damals, vor 52 Jahren, hatte der ungarische Trainer die Lissaboner nach dem Sieg im Meistercup im Streit verlassen und prophezeit, dass Benfica ohne ihn in den nächsten 100 Jahren keinen europäischen Titel mehr gewinnen würde. Er hat bisher Recht behalten. Sieben Europacup-Finals hat Benfica seither verloren. Den letzten vor einem Jahr in der Europa League gegen Chelsea – nach einem Gegentor in der Nachspielzeit.
Diese Niederlage schmerzt die Lissaboner zwar noch immer, zumal sie 2013 in der Schlussphase auch die Meisterschaft verspielt und den Cupfinal verloren haben, doch nun ist das Selbstvertrauen zurückgekehrt: Benfica ist längst portugiesischer Meister und gewann auch den Ligacup. Deshalb wollen sie in Lissabon in den Tagen vor dem Europa-League-Final nichts wissen vom Bela-Guttmann-Fluch. «Ich bin nicht abergläubisch, denn ich glaube an Charakter, Qualität und Arbeit. Wir wissen nach dem Final vom Vorjahr besser, wie wir mit der Nervosität umzugehen haben», so Trainer Jorge Jesus.
Im Gegensatz zu den letzten europäischen Endspielen gegen den PSV Eindhoven (1988), Milan (1990) oder eben Chelsea (2013) geht Benfica gegen den FC Sevilla durchaus als Favorit ins Spiel (Beginn 20.45 Uhr). Es hat sich nach dem Ausscheiden in der Gruppenphase der Champions League souverän und ungeschlagen durch die K.o.-Phase der Europa League gespielt. In acht Partien in diesem Frühjahr kassierte die vom Brasilianer Luisão dirigierte Abwehr bloss vier Gegentore. Zuletzt überzeugte Benfica im Halbfinal-Rückspiel in Turin sogar in Unterzahl mit einer glanzvollen Abwehrleistung gegen Juventus Turin (0:0).
Der FC Sevilla dagegen hatte seinen Weg ins Turiner Endspiel im Kleid von Glücksrittern zurückgelegt. Nach einer enttäuschenden Saison 2012/2013 hatten sich die Andalusier eigentlich gar nicht für die Europa League qualifiziert (9. Platz). Doch weil die UEFA Malaga (6.) und Rayo Vallecano (8.) wegen finanzieller Probleme sperrte, rückte der FC Sevilla nach. Die Gruppenspiele überstand man gegen Freiburg, Estoril und Slovan Liberec ungeschlagen, doch in den Achtel- und Halbfinals war man arg in Bedrängnis. Den Stadtrivalen Betis Sevilla, den man in der Primera Division um 35 Punkte distanzierte, schaltete der FC Sevilla erst im Penaltyschiessen aus und gegen Valencia sicherte erst ein Treffer in der Nachspielzeit des Rückspiels dank der Auswärtstor-Regel den Einzug in den Final.
Im Gegensatz zu Benfica Lissabon sind die Spanier aber immerhin Final-Experten. Die beiden einzigen Europacup-Endspiele der Klubgeschichte, im UEFA-Cup gegen Middlesbrough und Espanyol Barcelona, gewann der FC Sevilla 2006 und 2007. Aus diesen bisher grössten Triumphen schöpft der FC Sevilla vor dem Spiel gegen Benfica Lissabon seine Kraft. «Ich kann garantieren, dass jeder im Verein jedes Detail über die damaligen Erfolge weiss», so Captain Ivan Rakitic.
Wie weit weg diese beiden Siege jedoch sind, dokumentiert aber gerade auch die Karriere von Rakitic. Als der FC Sevilla den UEFA-Cup zweimal gewann, war er noch Mittelfeldspieler im FC Basel unter Christian Gross und Schweizer U21-Internationaler. Das ist lange her, aber immerhin nicht 52 Jahre.