Mehr als anderthalb Jahre nach der Havarie des Kreuzfahrtschiffs «Costa Concordia» in Italien sollen die Bergungsarbeiten nach dem Wochenende in die entscheidende Phase treten. Das Aufrichten des vor der Küste der Insel Giglio liegenden Wracks soll am Montag beginnen.
Das teilte Franco Gabrielli von der Zivilschutzbehörde am Donnerstag in Rom mit. Ohne diesen Schritt kann das Schiff nicht abgeschleppt werden. «Wenn die Wetterverhältnisse es zulassen, wird der Einsatz am Montag um sechs Uhr beginnen», sagte Gabrielli. Endgültig entschieden werde dies am Sonntag um 14 Uhr.
Geplant ist, das Wrack mit Hilfe von Stahlseilen und Flaschenzügen in die Vertikale zu bringen. Gabrielli kündigte einen Einsatz an, «wie es ihn nie zuvor gegeben hat».
Das Schiff müsse unbedingt noch im September aufgerichtet werden, betonte Gabrielli. Um bis zum Frühjahr 2014 zu warten, sei das Risiko zu gross: Das Ausmass der Schäden an jener Stelle des Schiffs, die auf einem Felsen aufliegt, sei schliesslich nicht bekannt.
Keinen «Plan B»
Es gebe auch keinen «Plan B» für den Fall, dass das Manöver scheitert. Befürchtet werde weniger, dass der 114’500 Tonnen schwere Stahlriese auseinanderbricht, sondern vielmehr, dass er sich gar nicht drehen lässt.
«Wenn das Schiff einmal in Rotationsbewegung kommt, ist die Schwerkraft so stark, dass man es nicht stoppen kann», ergänzte der südafrikanische Bergungsexperte Nick Sloane von der US-Firma Titan, die die Arbeiten zusammen mit dem italienischen Unternehmen Micoperi ausführt. Die Partnerfirma wollte keine Prognose über den Erfolg des Manövers abgeben.
Die «Costa Concordia» war am Abend des 13. Januar 2012 mit 4229 Menschen an Bord gekentert. 32 Menschen starben. Seitdem arbeiten hunderte Ingenieure und Techniker an den Vorbereitungen zur Bergung des 290 Meter langen Kolosses, der nach rechts gekippt auf einem Felsen liegt.
Nach der Aufrichtung muss das Schiff zunächst in der Vertikalen stabilisiert werden. Erst Wochen oder Monate später kann es dann abgeschleppt werden.
Aufwendigste Passagierschiff-Bergung aller Zeiten
Die schon jetzt über 600 Millionen Euro teure Bergung der «Costa Concordia» ist die aufwendigste, die es je für ein Passagierschiff gegeben hat. Bislang wurde das Wrack mit hunderten Zementsäcken und einer fussballfeldgrossen Metallplattform gestützt, damit es nicht vom Felsen ins tiefere Wasser abrutscht.
Einsatzkräfte haben Treibstoff aus dem Wrack abgepumpt, um für den Fall eines Auseinanderbrechens eine Umweltkatastrophe zu verhindern. Naturschützer fürchten dennoch, dass bei der Bergung das Meer verschmutzt wird.
Gabrielli räumte ein, dass verunreinigtes Wasser und Fremdkörper wie Möbel und Teppiche aus dem Schiff gleiten würden. Die Umweltaufsichtsbehörde versicherte, es werde «alles getan», um eine gravierende Umweltschäden zu verhindern. Pumpen und Bojen sollen die Schadstoffe grösstenteils abfangen.
Kapitän wegen Havarie vor Gericht
Der Kapitän der «Costa Concordia», Francesco Schettino, ist wegen mehrfacher fahrlässiger Tötung, Verursachung von Umweltschäden und Verlassens eines Schiffes in Seenot angeklagt. Ihm drohen bis zu 20 Jahre Haft. Schettino wird vorgeworfen, die Havarie mit einem riskanten «Grussmanöver» vor der Toskanainsel Giglio verursacht zu haben.