Jährlich erkranken Tausende von Patientinnen und Patienten an Bakterien, die sie im Spital aufgelesen haben. Die Folgen sind zusätzliche Spitaltage, mehr Medikamente oder gar erneute Operationen bis hin zum Tod. Mit nackten Zahlen will der Nationale Verein für Qualitätsentwicklung in Spitälern und Kliniken (ANQ) die Verantwortlichen aufrütteln.
Der Nationale Verein für Qualitätsentwicklung in Spitälern und Kliniken (ANQ) veröffentlichte am Donnerstag einen ersten Bericht über postoperative Wundinfektionen – Entzündungen, die nach einer Operation aufgetaucht sind. Erfasst wurden die Infektionen von Swissnoso, der Fachgesellschaft der Infektiologen. Mit diesen Zahlen und dem Bericht schafft der ANQ die Basis für weitere Berichte, mit welchen künftig die Entwicklung der spitalerworbenen Infektionen beobachtet werden kann.
Sensationelle Befunde sind keine aufgelistet. Es geht im Bericht nicht um die von Experten geschätzten 70’000 Betroffenen von Spitalinfektionen oder 2000 Todesfällen jährlich und die Kosten von über 240 Millionen Franken.
Der Bericht zeigt viel mehr detailliert auf, bei welcher Operation Infektionen die Folge waren. Auf 8033 Kaiserschnitte kommen etwa 142 Frauen, die danach eine mehr oder weniger schwerwiegende Entzündung erlitten – 1,8 Prozent der frischgebackenen Mütter.
Noch tiefer liegen die Zahlen bei der Einsetzung von Hüftgelenksprothesen, wo es bei 8916 Eingriffen bei 146 Patienten zu Komplikationen kam, das sind 1,6 Prozent. Hoch ist die Infektionsrate hingegen bei Magenbypass-Operationen, wo die Infektionsrate bei 16,7 Prozent liegt und bei Dickdarmoperationen, wo 12,8 Prozent aller Patienten eine zusätzliche Infektion mit nach Hause nahmen.
Insgesamt wurden über 52’000 Patientinnen und Patienten in 84 Spitälern in der Studie erfasst, die einen bestimmten chirurgischen Eingriff vornehmen lassen mussten. Von diesen erlitten gemäss Bericht des ANQ 1447 Personen eine postoperative Wundinfektion. Dabei wird unterschieden zwischen oberflächlichen Infektionen bis hin zu schwerwiegenden Entzündungen des operierten Organs.
Spitäler sollen beim Namen genannt werden
Dieser Statistik fügt der ANQ in einer komplizierten Berechnung noch den Gesundheitszustand der Patienten und den Grad der mikrobiologischen Verunreinigung des zu operierenden Körperteils oder Organs hinzu. Resultat ist eine differenzierte Sicht auf die einzelnen Spitäler und Operationen.
Noch sind im Bericht die Spitäler anonymisiert. In künftigen Berichten – ab kommendem Jahr wird er jährlich aktualisiert – werden die Spitäler und ihre Werte beim Namen genannt. Da ab diesem Jahr alle Schweizer Spitäler verpflichtet sind, Infekte zu messen, wird sich bald ein Gesamtbild der Wundinfektionen in der Schweiz ergeben. Und die Spitäler werden sich dem nationalen Vergleich stellen müssen.
«Spitäler, die schlecht abschneiden, werden stark unter Druck kommen», erklärt Regula Heller, die bei ANQ zuständig für das Messprogramm ist, der Nachrichtenagentur sda. Positive Veränderungen gebe es jedoch schon vor der Publikation der transparenten Daten. «Wenn gemessen wird, entsteht eine Sensibilisierung. Und sind Daten in den Spitälern bekannt, entsteht Handlungsbedarf», sagt Heller.
Und sie erwähnt die Besonderheit der nationalen Wundinfektionsmessung, die bei den Patientinnen und Patienten ein Follow-up auch nach Spitalaustritt verlangt, um möglichst genaue Daten zu erheben. Allerdings erschwert dies den internationalen Vergleich, da die Schweiz durch diese längere Begleitung der Patienten leicht höhere Infektionsraten ausweist.
Verbesserungspotenzial bei der Hygiene
Für Heller ist klar, dass Infektionen in Spitälern nie ganz verhindert werden können. Allerdings bestehe Verbesserungspotenzial. So bei der Hygiene – insbesondere bei der Händehygiene, aber auch bei den Techniken der Haarentfernung der zu operierenden Stellen.
Der Bericht weist aber auch darauf hin, dass die Antibiotikaprophylaxe verbessert werden könnte. Die rechtzeitige Verabreichung einer Dosis vor und wenn nötig zusätzlich während einer Operation könnte viel Leid ersparen.
Die Zahlen sollen nicht nur die Spitäler aufrütteln, sondern auch zuweisende Ärzte und potenzielle Patienten, die ein Spital auswählen können für einen geplanten Eingriff. Und noch mehr: Die Zahlen bilden für die Kostenträger, also die Kantone und Versicherer eine Entscheidungsgrundlage. «Die Kantone wie die Versicherer sind interessiert an einer guten Versorgungsqualität und erhalten mit den Messergebnisse wichtige Informationen», erklärte Heller.