Silvio Berlusconi tritt seine Strafe als Pfleger in einem Altenheim an. Bei guter Führung wird der einstige italienische Premierminister Anfang 2015 wieder aus dem Sozialdienst entlassen.
Überpünktlich und mit ernstem Blick präsentierte sich Silvio Berlusconi am Freitagmorgen im Alten- und Pflegeheim von Cesano Boscone bei Mailand. «Silvio, Silvio», rief eine Frau hinter den Absperrungen, die für die mehr als 100 Journalisten aus der ganzen Welt aufgestellt waren.
Italiens bekanntester Politiker stieg aus seiner dunklen Limousine, drehte sich nur kurz um und hob ohne sein übliches Lächeln die Hand zum Gruss. Das Institut Sacra Famiglia ist ab sofort der Schauplatz, von dem man nicht genau weiss, ob er wirklich der Resozialisierung eines einzigartigen Straftäters dienen kann. Oder ob es Berlusconi hier gelingt, sogar seine milde Bestrafung in einen Vorteil im EU-Wahlkampf umzuwandeln. «Silvio hat immer schon Bedürftigen im Verborgenen geholfen», liess seine junge Freundin Francesca Pascale vorab wissen. «Ab heute weiss es die ganze Welt.»
Bald wieder sein eigener Herr
Seit Freitag leistet der 77 Jahre alte Berlusconi mit der Betreuung von Demenzkranken und Alzheimerpatienten die Sozialstunden ab, die ein Mailänder Gericht zur Verbüssung seiner ursprünglich vier Jahre langen Haftstrafe wegen Steuerbetrugs in seinem Medienunternehmen Mediaset angesetzt hatte. Jeden Freitagmorgen, vier Stunden lang, vermutlich für zehn Monate. Wegen einer Amnestieregelung aus dem Jahr 2006 wurde die Strafe auf ein Jahr reduziert, bei guter Führung ist Berlusconi Anfang 2015 wieder sein eigener Herr.
Den Medien ist der Zutritt zu dem Heim verboten. Den Mitarbeitern wurde bei Androhung ihrer Entlassung untersagt, Foto- oder Videoaufnahmen zu machen. Einzig ein als Clown verkleideter Gewerkschaftler protestierte und rief bei Berlusconis Ankunft: «Der Traum aller Arbeiter – Berlusconi in San Vittore!» Dort steht das Mailänder Gefängnis.
Berlusconi politisiert weiter
Dass Berlusconi bislang wie ein Straftäter behandelt würde, ist nicht zu behaupten. Seit Tagen lässt der Ex-Ministerpräsident im Hinblick auf die Europawahl keine Gelegenheit für TV-Auftritte und Interviews aus. Seine Botschaft an den harten Kern seiner Wählerschaft lautet: «Trotz Verfolgung durch die Justiz gebe ich nicht auf.»
«Bei allem, was ich getan habe, müsste ich bald heilig gesprochen werden», meint der Cavaliere.
Noch am Donnerstag hatte er in einem Radiointerview zu einem Rundumschlag gegen seine politischen Gegner angesetzt. Auch auf die Justiz schimpfte Berlusconi. Der sogenannte Ruby-Prozess, bei dem er wegen bezahltem Sex mit einer Minderjährigen bereits in erster Instanz zu sechs Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde, sei «eine Farce». «Bei allem, was ich getan habe, müsste ich bald heilig gesprochen werden», sagte der Politiker, der sich einst als «Gesalbter des Herrn» bezeichnet hatte, wohl nur halb im Scherz. Am Abend in einer TV-Show gab sich Berlusconi bereits milder. Seine Anwälte befürchten, dass die Richter die Sozialstunden in Hausarrest umwandeln könnten.
In den Umfragen liegt seine Partei «Forza Italia» bei unter 20 Prozent, einer der schlechtesten Werte in der Parteigeschichte. «Angriff der Justiz», titelte Berlusconis Hausblatt «Il Giornale» im Hinblick auf mehrere Ermittlungen der Staatsanwaltschaft aus den vergangenen Tagen, bei denen mehrere Vertraute des Politikers festgenommen wurden.