Unter massivem Polizeischutz haben christlich-konservative Kreise am Samstag vor dem Bundeshaus in Bern gegen Abtreibungen demonstriert. Ihr Protest richtete sich besonders gegen die Pränataldiagnostik, die immer mehr zu einer Selektion von Leben führe.
Die Polizei hatte den Bundesplatz schon am Samstagmittag hermetisch abgeriegelt. Gut hundert Teilnehmende einer Gegendemonstration machten darauf vis-a-vis auf dem Bärenplatz mächtig Lärm mit Trillerpfeifen, Drucklufthupen und Sprechgesängen. Vereinzelt warfen sie mit Wasser gefüllte Kondome in Richtung des mit Absperrgittern abgetrennten Bundesplatzes. Zwischen den beiden Lagern sorgten zahlreiche Polizisten in Kampfmontur dafür, dass eine direkte Konfrontation ausblieb. Kurz vor Ende der offiziellen Kundgebung zündeten die Gegner eine Rauchpetarde und zogen dann von der Polizei unbehelligt ab. Der «Marsch fürs Läbe», der Jahr für Jahr zu Kontroversen führt, fand nach sechs Austragungen in Zürich erstmals in Bern statt. Aus Sicherheitsgründen hatten die Berner Behörden allerdings nur eine Platzkundgebung bewilligt. Die Veranstalter sagten zähneknirschend zu. Sie schätzten die Teilnehmerzahl am frühen Abend auf 1700 Personen und werteten dies angesichts der schwierigen Umstände als Erfolg. Die Demo-Teilnehmer wurden mit Cars aus zwei Dutzend Schweizer Städten direkt vor das Bundeshaus gefahren und dort wieder abgeholt. Passanten in Bern bekamen wegen des Lärms kaum etwas von den Reden und Konzerten mit.
Für «faire Diskussion»
Die Kundgebung richtete sich besonders gegen den Umgang mit der Pränataldiagnostik: Kranke und behinderte Ungeborene würden heute «mit medizinischen Methoden aufgespürt und vernichtet», bevor sie das Licht der Welt erblickten. «Wir werden das Töten ungeborener und behinderter Kinder niemals akzeptieren», hiess es auf einem Flugblatt. Die Demonstrierenden forderten auch «eine faire öffentliche Diskussion über die schmerzlichen Folgen von Abtreibungen».
«Meine Entscheidung»
Die Gegendemonstration stand unter dem Motto «Mein Körper – meine Entscheidung». Auch viele Homosexuelle protestierten gegen den «Marsch fürs Leben», weil sie den christlichen Aktivisten eine homosexuellenfeindliche Haltung vorwerfen. Die Polizei hatte im Vorfeld auf das Konfliktpotenzial des Anlasses hingewiesen, der schon in Zürich immer wieder zu Scharmützeln geführt hatte. Entsprechend gross war das Aufgebot an Einsatzkräften. In der Bundesstadt wimmelte es mitten im samstäglichen Einkaufsrummel von Polizeifahrzeugen und Polizisten, viele von ihnen trugen Kampfmontur. Die Verantwortlichen des «Marschs fürs Läbe» zeigten sich nach Ende der Kundgebung entschlossen, «auch 2017 wieder für das Lebensrecht auf die Strasse zu gehen». Ob dies wiederum in Bern sein werde, sei angesichts der massiven Einschränkungen für Veranstalter und Markttreibende noch zu diskutieren.