Im Musikvideo zu Rio Woltas «Through My Street» lässt der Berner Regisseur Piet Baumgartner zwei Bagger tanzen. Für das bewegende Video darf der Filmemacher am 12. Dezember auf einen Preis am International Musicvideo Festival in Paris hoffen.
Zu seinen Konkurrenten gehören die Regisseure von «Hello» (Adele), «Every Breaking Wave» (U2) oder «Living for Love» (Madonna). Dass sein Video abräumen wird, hält Piet Baumgartner für ausgeschlossen, gar «absurd». Schon die Nominierung habe ihn überrascht, sagt er im Gespräch mit der Nachrichtenagentur sda.
Dem in Zürich lebenden Dieterswiler sind Erfolge wie dieser Preis aber ohnehin weniger wichtig als kreative Freiheit und die Filmkunst selbst. Es sei ein lange gehegter Wunsch gewesen, «irgendwann mal etwas mit Baggerballett zu machen», so der gelernte Maschinenzeichner, Journalist und Regisseur.
Die Umsetzung wurde konkret, als sich der Zürcher Musiker Rio Wolta für die Idee begeistern liess und ein Bauunternehmen kurzerhand Bagger, Kiesgrube und zwei geschickte Baggerfahrer zur Verfügung stellte. Das Resultat ist eine originelle und berührende Symbiose aus melancholischer Musik, schweren Maschinen und einer graziösen Choreographie.
Harmonische Kontraste
«Through my Street» ist eine gefühlvolle Nummer, in der Rio Wolta «a friend» bittet, zurückzukommen und den Weg an seiner Seite zu beschreiten. Andere hätten ein Liebespaar dem Sonnenuntergang entgegen spazieren lassen. «Einem Song das zu geben, was er eh schon hat, interessiert mich nicht», so Baumgartner. «Das bewegte Bild muss einen Mehrwert bieten, da muss eine neue, unerwartete Ebene dazukommen.»
So beginnt sein Clip bei der Znünipause auf der Baustelle – mit einer Essiggurke (verspiesen von Schauspieler Andreas Storm) und einer Karaoke-Einlage (von Schauspielerin Julia Gräfner zur Stimme von Rio Wolta).
Später besteigen die stattlichen «Baggerfahrer» ihre tonnenschweren Maschinen und lassen sie wie federleichte Synchrontänzerinnen durch die Baugrube kreisen. «You should follow me, faithful friend» – ein magisches Moment, in dem viel Herzblut, viel Feingefühl, viel Piet Baumgartner steckt.
Letzteres lässt sich aus dem Vergleich mit anderen Musikvideos unter seiner Regie schliessen. Im schwarz-weissen «Igloo II» (für die Band Asleep) beispielsweise tanzt der nicht eben zierliche Andreas Storm mit einem Eisbärfell zu sanften Tönen. Ein Kontrast, der eigentlich eine perfekte Symbiose ist.
Musikvideos als Leidenschaft
Der Clip zu «Hailey Fought The Law» (Best Swiss Music Video an den Solothurner Filmtagen 2012) verfügt über eine ähnliche Ästhetik wie das Baggerballet. Das unerwartete, sich bewegende Element ist hier ein rollkunstlaufender Plüschhase und die rauhe Kulisse ein Industriegebiet in einer Stadt.
Ebenfalls eine Zusammenarbeit mit Baumgartners gutem Freund Rio Wolta, dessen Band damals noch Blanket hiess. «Mit ihm zu arbeiten ist bereichernd, weil er kritisch und ein sehr visueller Mensch ist», so der Regisseur. Ausserdem gefalle ihm seine Musik, die wichtigste Voraussetzung überhaupt. Neben «gutem Handwerk und Ehrlichkeit des Künstlers».
Von seinen Musikvideos kann Piet Baumgartner nicht leben. Will er auch nicht. Sie sind nicht das Hauptstandbein des freischaffenden Filmemachers, der derzeit an einem Kinofilm und einer Dokumentation arbeitet. In den Clips lasse sich aber alles umsetzen, was ihn an seinem Beruf reize – «ohne dass man immer einen 90-minütigen Spannungsbogen schaffen muss».