Pier Luigi Bersani ist formell als Chef der italienischen Demokratischen Partei (PD) zurückgetreten. «Ohne jedes Zögern bestätige ich meinen Rücktritt», sagte Bersani am Dienstag an einem Parteitreffen in Rom, bei dem die PD keinen Kandidaten für das Amt des Regierungschefs nominierte.
Bersani hatte seinen Rücktritt bereits vor einigen Tagen angekündigt. Am Abend sollte die PD noch Italiens wiedergewählten Staatspräsidenten Giorgio Napolitano zu Konsultationen zur Bildung einer neuen Regierung treffen. Dazu sprach die PD dem 87-Jährigen ihre volle Unterstützung aus.
Napolitano nahm am Dienstag einen neuen Anlauf, trotz dem Parteienstreit eine Regierung zu bilden. Er traf sich zunächst mit den Vorsitzenden der Parlamentskammern sowie Vertretern kleinerer Parteien.
Als neuer Regierungschef im Gespräch ist der frühere Ministerpräsident Giuliano Amato. Doch auch der Name des Bürgermeisters von Florenz, Matteo Renzi, wurde am Dienstag hoch gehandelt. Der 38-Jährige ist Mitglied der PD. Seine Ernennung würde einen Generationswechsel bedeuten.
Bei seiner Amtseinführung am Montag hatte Napolitano gesagt, Italien brauche eine grosse Koalition linker und rechter Kräfte, um dringende Reformen auf den Weg zu bringen und das Land aus der Rezession zu führen. Rivalisierende Parteien müssten zusammenarbeiten.
Grosse Koalition am wahrscheinlichsten
Italienische Medien erwarten eine grosse Koalition aus der linken PD, der konservativen Partei PdL («Volk der Freiheit») des früheren Regierungschefs Silvio Berlusconi sowie dem Zentrumsblock des bisherigen Ministerpräsidenten Mario Monti.
Beobachter halten es für denkbar, dass am Mittwoch ein neuer Regierungschef benannt wird. In den italienischen Medien wurden dem früheren Sozialisten Amato die besten Chancen zugesprochen, der bereits zweimal Regierungschef war.
Neben Renzi ist ausserdem die bisherige Innenministerin Anna Maria Cancellieri im Gespräch. Sie wäre die erste Frau an der Spitze einer italienischen Regierung.
Seit Februar ohne Regierung
Italien steckt seit den Parlamentswahlen Ende Februar in der Krise, da bei der Abstimmung keine Partei eine ausreichende Mehrheit zur Bildung einer Regierung erreichte.
Der Chef der Protestbewegung «Fünf Sterne», Beppe Grillo, bezeichnete in einem Interview mit der deutschen «Bild»-Zeitung die Regierungskrise in Rom als «historischen Bruch». «Die politische Klasse kämpft ums Überleben», sagte er. Berlusconi sei bereits erledigt. Grillo warnte auch vor einem Staatsbankrott Italiens, der drittgrössten Euro-Volkswirtschaft, in diesem Herbst.