Der Primas der katholischen Kirche in Belgien, André-Joseph Léonard, ist wegen eines Missbrauchsfalls zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Der Erzbischof von Brüssel muss einem ehemaligen Mitglied eines Kinderchors 10’000 Euro zahlen.
Ein Gericht in Lüttich entschied am Donnerstag, Léonard habe es versäumt, nach Bekanntwerden der Vorwürfe Massnahmen gegen einen pädophilen Priester einzuleiten, zitierte die Zeitung «Le Soir» aus der Urteilsbegründung.
Der heute 42 Jahre alte Kläger Joël Devillet war in den Jahren 1987 bis 1991 von einem Priester sexuell missbraucht worden. Die ersten Taten ereigneten sich, als Devillet 14 Jahre alt war.
1996 zeigte Devillet seinen Peiniger vor einem kircheninternen Gericht an, das ihm eine Therapie empfahl. Er wollte den Priester auch strafrechtlich belangen, die Vorwürfe wurden aber als verjährt zurückgewiesen. Daraufhin klagte Devillet vor einem Zivilgericht. Die Richter sprachen ihm schliesslich eine Entschädigung zu. Auch gegen Léonard, der von 1919 bis 2010 als Bischof von Namur Vorgesetzter des pädophilen Priesters war, zog er vor Gericht.
Grosser Missbrauchsskandal
Das Berufungsgericht in Lüttich gab dem Kläger nun Recht. Léonard sei dafür verantwortlich, dass sich der Kläger «ungerecht behandelt und alleine gelassen fühlte», berichtete die Zeitung «La Libre Belgique» unter Berufung auf das Urteil. Der Erzbischof sei auch schuld an den psychischen Problemen des Opfers, das deswegen arbeitsunfähig sei. Devillet bezeichnete das Urteil im Fernsehen als «grosse Genugtuung». Léonard kann die Entscheidung binnen zwei Wochen anfechten.
Belgiens katholische Kirche war im Jahr 2010 von einem Missbrauchsskandal erschüttert worden. Tausende Menschen meldeten sich bei einer Untersuchungskommission und berichteten, sie seien Opfer von Missbrauch durch Kirchen-Angehörige geworden. Besonders grosse Erschütterung erregte der Fall des Bischofs von Brügge, Roger Vangheluwe, der zwei seiner Neffen missbraucht hatte.