In der Rekonstruktion der Gurlitt-Familie kann man auf den einigermassen erfolgreichen Landschaftsmaler Heinrich Louis G. zurückgreifen. Dieser war als eines von achtzehn (!) Kindern im hamburgischen Raum zur Welt gekommen. Als zweimaliger Witwer war er in dritter Ehe mit der Jüdin Else Lewald verheiratet und hatte aus dieser Ehe mehrere Söhne: Einer hiess Cornelius, der Architekturhistoriker war und uns über seinen Sohn Hildebrand zum aktuellen Cornelius führt. Ein anderer hiess Fritz und betrieb eine Kunsthandlung, die von seinem Sohn Wolfgang weitergeführt wurde. In Basel umwarben sowohl Hildebrand (Sohn von Cornelius) als auch Wolfgang (Sohn von Fritz), dabei sich konkurrenzierend, den Kunstmuseums-Direktor Schmidt. Die beiden G. hatten untereinander sonderbarerweise kaum Kontakt.Hildebrand G. war bis 1930 Direktor des König-Albert-Museums in Zwickau. In dieser Funktion setzte er sich mit Ankäufen für zeitgenössische Kunst ein. Unter dem Druck des örtlichen NS-Kampfbundes für deutsche Kultur verlor er seine Stelle und wurde dann freischaffender Kunsthändler in Hamburg. Wegen seiner jüdischen Grossmutter wurde er als «Viertelsjude» eingestuft, konnte 1938/1939 aber bei der Verwertung des «Entarteten»-Bestandes mitwirken und nach 1940 sogar in Frankreich offiziell für das Führermuseum Linz Kunst aufkaufen. Über das frühe Wirken von Wolfang G. ist wenig bekannt. Nach dem Krieg konnte er sich wie sein Cousin, der 1948–1956 den Düsseldorfer Kunstverein leitete, wieder gut im Kunstbetrieb etablieren: Er übernahm 1948 ausgerechnet in Linz das Museum Neue Galerie, konnte es sogar mit dem Beinamen Wolfgang-Gurlitt-Museum versehen (heute Lentos Kunstmuseum) und ihm grosse Teile seiner Sammlung verkaufen.
Dieser Text ist die Info-Box zum Artikel: Geschäfte in der Grauzone