Grossbritannien wird nach Einschätzung des Brexit-Befürworters Boris Johnson auch nach dem Votum für einen Austritt aus der EU Zugang zum europäischen Binnenmarkt haben. Die Rechte der EU-Bürger im Land würden geschützt.
«Es wird weiterhin freien Handel und Zugang zum Binnenmarkt geben», schrieb Johnson in einem Beitrag für die Zeitung «Daily Telegraph». Die in Grossbritannien lebenden EU-Bürger werden ihre Rechte in vollem Umfang geschützt sehen, versicherte der Anwärter auf die Nachfolge des Premierministers David Cameron, der nach dem Austrittsvotum seinen Rücktritt bis Oktober angekündigt hatte.
Johnson widersprach auch Analysen, wonach die Migrationsfrage der entscheidende Faktor für das Austrittsvotum gewesen sei. Allerdings müsse die künftige Migrationspolitik «den Bedürfnissen von Wirtschaft und Industrie» angepasst werden.
An den Finanzmärkten ist die Spannung gross, ob Johnson tatsächlich neuer Regierungschef wird, wie seine Pläne für die Zeit nach einem Austritt Grossbritanniens aus der EU aussehen und wie sich der Brexit auf den Handel mit dem Rest der Welt auswirkt.
«Keine grosse Eile»
Johnson schrieb weiter, es bestehe «keine grosse Eile» für das Vereinigte Königreich, seinen Austritt aus der Europäischen Union zu erklären. Details nannte Johnson nicht. Die negativen Folgen eines Austritts aus der EU würden «weit übertrieben», schrieb Johnson.
«Die Wirtschaft ist in guten Händen», lobte er seine Parteifreunde Cameron und Finanzminister George Osborne. Notenbankchef Mark Carney, der vor dem Referendum vor den Risiken eines Brexits gewarnt hatte und deshalb in die Kritik geriet, solle auf seinem Posten bleiben, empfahl Johnson. Carney habe «grossartige Arbeit» geleistet.
Parteiinterne Kritik musste nach dem Brexit der britische Labour-Chef Jeremy Corbyn einstecken. Trotzdem hat er einen Rücktritt ausgeschlossen. Er bedauere, dass mehrere Mitglieder seines Schattenkabinetts zurückgetreten seien, erklärte der Oppositionsführer in der Nacht zum Montag. Er werde jedoch «nicht das Vertrauen derjenigen enttäuschen, die mich gewählt haben». Wer die Parteiführung ändern wolle, müsse sich darum in einer demokratischen Wahl bewerben – «bei der ich kandidieren werde», betonte Corbyn.
Misstrauensvotum bei Labour
Corbyn hatte in der Nacht zum Sonntag seinen Schatten-Aussenminister Hilary Benn entlassen, nachdem dieser seine Parteiführung heftig kritisiert hatte. Daraufhin erklärten elf weitere Mitglieder des Schattenkabinetts ihren Rücktritt.
Auslöser der Rücktrittswelle war die Kritik an Corbyns Kampagne für einen Verbleib Grossbritanniens in der EU. Viele Vertreter des rechten Flügels warfen dem Labour-Chef vor, nur halbherzig für den Verbleib geworben und damit viele Wähler aus dem eigenen Lager nicht überzeugt zu haben.
Zwei Labour-Abgeordnete legten einen Misstrauensantrag gegen Corbyn vor. Dieser dürfte eine Fraktionssitzung von Labour am Montag dominieren.