Der ständige Vertreter Grossbritanniens bei der Europäischen Union, Sir Ivan Rogers, ist zurückgetreten. Die Zeitung «Financial Times» berichtete unter Berufung auf das Umfeld des Diplomaten, Rogers habe seine Mitarbeiter am Dienstag von dem Schritt unterrichtet.
Rogers hatte zuletzt für Aufsehen mit der Einschätzung gesorgt, die Verhandlungen über ein Abkommen Grossbritanniens mit der EU zur Regelung des EU-Austritts könnten zehn Jahre dauern. Und selbst dann könne ein Abkommen noch an der Ratifizierung in einem der nationalen Parlamente scheitern, warnte Rogers. Das hatte ihm scharfe Kritik von Befürwortern eines klaren Bruchs mit Brüssel eingebracht.
Der Top-Diplomat gilt als EU-freundlich. Medien spekulierten, sein Rücktritt könne auf ein Zerwürfnis mit der Regierung von Premierministerin Theresa May hindeuten. Erst Anfang vergangenen Jahres hatte Rogers noch den Ritterschlag für Verdienste in der britischen, europäischen und internationalen Politik erhalten.
«Keine gute Sache»
Der Vorsitzende des Brexit-Ausschusses im britischen Parlament, Hilary Benn (Labour), bezeichnete den Rücktritt des Diplomaten als «keine gute Sache». Rogers, der Grossbritannien seit 2013 in Brüssel vertritt, gilt als profunder Kenner der EU. Er spielte eine wichtige Rolle bei den Verhandlungen des damaligen Premierministers David Cameron über Ausnahmeregelungen für das Land vor dem Brexit-Referendum.
Die Regierung müsse sich nun beeilen, einen Ersatz für Rogers zu finden, mahnte Benn. Die Brexit-Verhandlungen sollen beginnen, sobald London die förmliche Austrittserklärung verschickt hat. Das solle spätestens Ende März geschehen, hatte May angekündigt. Rogers hätte offiziell noch bis Oktober im Amt bleiben sollen.
Die Briten hatten im vergangenen Jahr in einem historischen Referendum mit knapper Mehrheit den Austritt ihres Landes aus der EU beschlossen.