Paukenschlag bei einem der spektakulärsten Gerichtsverhandlungen in der britischen Geschichte: Das höchste Gericht in London entschied am Dienstag, dass das Parlament über die Austrittserklärung aus der EU («Brexit») abstimmen muss.
Die elf Richter des Supreme Courts bestätigten in dem Berufungsverfahren ein früheres Urteil. Dieses kommt den Plänen der britischen Regierung in die Quere.
Der Vorsitzende Richter David Neuberger betonte, dass das Urteil des Supreme Courts nicht das Referendum zum Brexit selbst infrage stelle. Es gehe um rein rechtliche Fragen.
Nach dem Urteil muss die britische Regierung die Zustimmung des Parlaments einholen, bevor sie den Austritt des Landes aus der Europäischen Union erklärt. Die Regionalparlamente von Schottland, Wales und Nordirland haben dabei kein Mitspracherecht.
«Regierung enttäuscht»
Generalstaatsanwalt Jeremy Wright sagte, die britische Regierung sei «enttäuscht» vom Ausgang des Verfahrens.
Trotz der Niederlage will die Regierung an ihrem Zeitplan für den EU-Austritt festhalten. «Das britische Volk hat dafür gestimmt, die EU zu verlassen, und die Regierung wird das umsetzen», sagte ein Regierungssprecher. Die Austrittserklärung werde wie geplant Ende März nach Brüssel geschickt.
Die Regierung befürchtete im Vorfeld, dass das Mitspracherecht des Parlaments den ohnehin engen Zeitplan für die Verhandlungen mit der Europäischen Union durcheinanderbringen wird. Das Parlament hatte sich zwar Anfang Dezember mit grosser Mehrheit zu dem Brexit-Zeitplan bekannt, doch der Beschluss ist nicht bindend.
Zudem wird befürchtet, dass die Abgeordneten den geplanten Brexit verwässern und eine stärkere EU-Nähe einfordern könnten. Die Parlamentarier gelten als überwiegend EU-freundlich. Medien hatten berichtet, die Regierung plane, nun ein möglichst knapp formuliertes Gesetz ins Parlament einzubringen.
May hatte vor einer Woche in einer lange erwarteten Grundsatzrede angekündigt, dass sie Grossbritannien nicht nur aus der EU, sondern auch aus dem europäischen Binnenmarkt führen will. Sie wollte das Parlament dazu aber nicht befragen.
Widerstand aus den eigenen Reihen
Die Briten hatten sich am 23. Juni 2016 in einem historischen Referendum für einen Austritt Grossbritanniens aus der EU entschieden. Das Ergebnis der Volksabstimmung hat aber keine Rechtskraft.
Zahlreiche Brexit-Befürworter sind der Ansicht, dass Grossbritannien zu viel Geld an die Europäische Union zahlen muss. Migranten aus der EU werden für Wohnungsnot, Engpässe im Gesundheitssystem und Wettbewerbsdruck auf dem Arbeitsmarkt verantwortlich gemacht.
Die Regierung verfügt über eine Mehrheit im Parlament. Die Weigerung Mays, Details aus der Strategie der Regierung zu veröffentlichen, stiess aber zum Teil auf Widerstand in den eigenen Reihen.
Klägerin bedroht
Der juristische Streit geht auf eine Gruppe um die Fondsmanagerin Gina Miller zurück. Sie wollte eine Abstimmung im Parlament erreichen. Die Richter des High Courts gaben ihr im vergangenen November recht.
Danach war die Stimmung im Land teils aufgeheizt. Eine Zeitung nannte die Richter «Feinde des Volkes», Miller wurde bedroht. Die Regierung legte Berufung beim Supreme Court ein.
Nach dem Austritt Grossbritanniens hätte die EU noch 27 Mitglieder. «Brexit» ist ein Kunstwort aus den Begriffen «Britain» (Grossbritannien) und «Exit» (Ausgang).