Während der Buch Basel flimmern einige Bücher auf den Leinwänden der Stadt. Eines davon ist «Am Hang» von Markus Werner. Ein Grund, das Buch noch einmal zu lesen. Nach dem Film von Markus Imboden.
Lesen lässt in uns Bilder entstehen, auf unserer eigenen Leinwand. Wenn ein Buch zum Film wird, dann in unserem Kopf. Auf der Leinwand sehen wir meist nur einen müden Abklatsch. «Am Hang» ist kein Abklatsch. Er ist eher eine Ermutigung, sich das Buch doch noch zu Gemüte zu führen.
«Am Hang» ist ein raffiniert gestrickter Roman: Während eines Pfingstwochenendes begegnen sich zwei Männer. Zufällig. Sie kommen ins Gespräch. Über Frauen. Der eine, Scheidungsanwalt, ist Spezialist für die Misstöne in Beziehungstrümmern. Der andere, Musiker, ist Spezialist für die Komplexizität von Harmonien. Beide sind distanzierte Erzähler. Aber beide wissen nicht, dass sie die selbe Geschichte erzählen.
Der Film scheitert an den Dialogen – aber nicht die Dialoge am Film
Markus Werner entwickelt Inhalt und Form seines Romans mit leichter Hand und gleichzeitig zutiefst literarisch: Die beiden Männer geraten ins Erzählen – über Frauen. Ihre Geschichten sind Episoden der Liebe. Sie führen aber beide in eine tiefere Verstrickung. Der eine liebt an den Begegnungen mit Frauen die Anfänge. Der andere scheint sich mit einem Ende zu beschäftigen. Der eine ist ein Süchtiger des Flüchtigen. Der andere hängt dem Ewigen nach. Für beide gelten andere Gesetze der Liebe und – der Erzählung.
Markus Imboden lässt seine beiden Hauptfiguren rasch zur Sache kommen. Schon in den ersten Einstellungen rettet der Ich-Erzähler einem müden Mann das Leben – schon sind wir in einem papierenen Dialog über das Sterben – der Liebe.
Markus Werner hält uns in indirekter Sprache, in Dialogen, lange spannend von der leidenschaftlichen Tragödie fern, die in der Geschichte steckt. So scheint es. Er lässt die beiden Männer ihre jeweilige Frau schildern, und – in uns entstehen langsam die Bilder der Frauen dazu. Erst im letzten Drittel des Romans entsteht vor uns die Gewissheit: Diese beiden Männer verbindet – mehr als ein Diskurs über die Liebe: eine Frau. Da krachen im Roman die Frauenbilder in uns aufeinander.
Film muss Bilder in seiner eigenen Sprache erfinden
Markus Imboden hat es da mit seinem Film schwerer: Er kann uns nicht zwei Frauen präsentieren. Gleich zu Beginn suggeriert er uns eine Verbundenheit der beiden Männer. Lebensmüde der eine, lebenssüchtig der andere, bleiben sie im Gespräch. Der Film macht es sich aber auch leichter: Mit dem Bild der Frau entwickelt sich viel rascher das leidenschaftliche Dreieck der Liebe.
Markus Werner ist – sorgfältig im Umgang mit Worten – ein Spieler mit Bildern und lässt uns bereits beim Lesen filmisch denken – (wenn etwa das Einschlagen der Liebe mit der Verhakung zweier Hunde geschildert wird, die die beiden Liebenden beobachten) . Werners Hauptfiguren reden über mehr als die zwei Gesichter einer Frau: Sie reden über zwei Wirklichkeiten. Was für eine Herausforderung wäre das für einen Film gewesen, dieses Wagnis auch einzugehen.
Wo der Roman filmischer ist als der Film
Der Film hat diese sublimen Narration des Buches nicht genutzt – zumindest nicht filmisch. Er hat eine einfache, leicht einsehbare Geschichte dazu erfunden, ohne den Text zu verraten. Aber er ist nicht dessen narratives Wagnis eingegangen. Markus Werners Figuren pflegen die indirekte Rede. Die Dialoge sind oft in der Möglichkeitsform. Werner setzt seine Erzähler als Nacherzähler ein, die uns die Möglichkeiten des verfälschenden Erzählens öffnen. Sie machen sich etwas vor. Werner nutzt ausserdem die Sprache vielseitiger: Mit Anspielungen weckt er unseren kriminalistischen Sinn. Die beiden Männer kommen einander auf die Spur – im Kopf des Lesers.
Werner gewinnt aus der Beschreibungen ein und der selben Frau Frauenbilder. Der Film präsentiert uns eine Frau, eine traumhaft tiefe und geheimnisvolle immerhin – gesehen von zwei Männern. In einer Dreiecksgeschichte, wie wie wir sie schon zu oft gesehen haben.
So haben der «Am Hang»-Roman und der «Am Hang»-Film ihre eigenen Mittel der Narration. «Am Hang» ist, so gesehen, ein Film, der wohl das Potential des Buches nicht nutzt, aber dennoch benützt. In der verhaltenen Sprache. Das macht, nach dem Film, das Buch noch einmal spannender: Lesen lässt in uns ohnehin Bilder entstehen, die nur auf unserer eigenen Leinwand Bestand haben.