Gegen die Neuordnung des Welthandels formiert sich Widerstand. In Bern ist am Dienstag das Bündnis «Gemeinsam gegen TTIP, TISA & Co.» gegründet worden. Dieses kämpft gegen drohenden Demokratieabbau.
TTIP ist das Transatlantische Freihandelsabkommen, über das die EU und die USA verhandeln. Die Schweiz ist dabei vorerst an der Seitenlinie. Ein Beitritt ist für den Bundesrat aber eine Option. TISA ist das internationale Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen, über das derzeit 50 Länder verhandeln, darunter die Schweiz. Die Verhandlungen finden hinter verschlossenen Türen statt.
Dagegen haben sich nun über ein Dutzend Organisationen zusammengeschlossen, unter ihnen SP, Grüne, der Gewerkschaftsbund oder die Gewerkschaft VPOD. In den Augen der Gegner bedrohen beide Abkommen Demokratie, Umweltschutz, Arbeitnehmerschutz, Datenschutz oder den Service public. In einem offenen Brief an Bundespräsident Johann Schneider-Ammann verlangen sie, dass die Öffentlichkeit über den Inhalt der Verhandlungen informiert wird und dass die Abkommen auf jeden Fall dem Referendum unterstellt werden.
Bedingungen des Handels
Das Bündnis bekämpfe nicht den Handel, sagte die Grüne Nationalrätin Maya Graf (BL) vor den Bundeshausmedien. «Es geht um die Bedingungen des Handels». Diese werden nach Ansicht des Bündnisses mit den Abkommen in völlig inakzeptabler Weise verschlechtert.
«Es ist das Ende des demokratischen Systems, wie wir es kennen», sagte Caroline Beglinger, Co-Geschäftsleiterin des VCS. Zum Beispiel könnte die Schweiz ihre Verkehrspolitik nicht mehr souverän gestalten, weil kein Verkehrsträger benachteiligt werden dürfte. Also Diskriminierung könnten laut Beglinger das Dosiersystem am Gotthard, das Nachtfahrverbot für den Schwerverkehr oder die ganze Schweizer Verlagerungspolitik angesehen werden.
Die gleiche Entwicklung droht gemäss dem Bündnis auch im Energiebereich. Der Bundesrat hat diesen zwar mit anderen Sektoren von öffentlichem Interesse auf die TISA-Ausnahmeliste gesetzt. Laut VPOD-Generalsekretär Stefan Giger werden die Ausnahmen aber durch Anhänge zum Abkommen ausgehebelt: Einer davon verlange Energieneutralität. Atom- und Kohlekraftwerke hätten damit den gleichen Anspruch auf Subventionen wie erneuerbare Energien.
Swisscom oder Postfinance müssten laut Giger vollständig privatisiert werden. Der VPOD-Generalsekretär sieht die Demokratie selbst in Gefahr: Beispielsweise dürften Ausnahmelisten nie mehr ergänzt werden, auch nicht, wenn es neue technische Entwicklungen gebe. Zudem verbiete die vorgesehene «Standstill»-Klausel jede zusätzliche Regulierung, die ausländische Anbieter benachteilige.
Auch andere Mechanismen bedrohen laut Greenpeace-Geschäftsführer Markus Allemann die Demokratie. So seien in beiden Abkommen private Schiedsgerichte vorgesehen, sagte er. Vor diesen könnten Konzerne auf Entschädigung klagen, wenn ein Land beispielsweise seine Umweltstandards verschärfe. Das Risiko hoher Entschädigungszahlungen werde neue Gesetze von vornherein verhindern, ist Allemann überzeugt.
Weniger Schutz auf dem Arbeitsmarkt
Auch für Arbeitnehmende wären die Folgen gemäss dem Waadtländer SP-Nationalrats Jean Christophe Schwaab gravierend: «Freihandelsabkommen mit dem Ziel, die Standards zu harmonisieren, führend zwingend zu einem Verlust von Arbeitsplätzen in jenem Land, welches die höchsten Standards hat», sagte er.
Die roten Linien hat das Bündnis noch nicht definiert. Das liegt nicht zuletzt daran, dass wenig über die Verhandlungen bekannt ist. Einblick hatte die Öffentlichkeit bisher nur dank Leaks. Das Bündnis verlangt von Schneider-Ammann aber volle Transparenz. Es widerspreche fundamentalen demokratischen Werten, wenn Abkommen von dieser Tragweite unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgehandelt würden, erklärte JUSO-Präsidentin Tamara Funiciello.