Ab April könnten der Wanderer im Postauto von Schwarzenburg BE Richtung Gantrischhütte oder die Geschäftsfrau in der S-Bahn von St. Gallen nach Gossau für den Bund die Qualität dieses ÖV-Angebots testen. 60 bis 70 Tester und Testerinnen sollen es schliesslich werden.
Das Bundesamt für Verkehr (BAV) beschreibt die Anforderungen an eine Qualitätstesterin oder einen -tester mit «jung bis alt» und sie sollten ein «Interesse an öffentlichem Verkehr» haben. Ein Testkunde solle sich wie ein normaler ÖV-Kunde verhalten. Die Tester werden aber mit einem mobilen Erfassungsgerät und einer Legitimationskarte ausgestattet, wie das BAV am Mittwoch auf Anfrage erklärt.
Da Züge, Busse und S-Bahnen von früh bis spät fahren, muss er flexibel sein: Ein Einsatz kann zwischen fünf Uhr morgens und ein Uhr nachts stattfinden und bis zu fünf Stunden dauern. Das Arbeitspensum beträgt zwischen 35 und 50 Prozent.
Qualitätstester kosten 3 Millionen
Wie am Dienstag bekannt wurde, reisen die Tester inkognito. Sie sollen schauen, ob alles richtig funktioniert, in welchem Zustand Wagen, Einrichtungen und Haltestellen sind, und ob alles sauber ist. Auch prüfen sie, wie die Reisenden informiert werden.
Das BAV will mit seinen neuen Qualitätstestern ein «echtes Gesamtbild» erhalten, denn heute werde die Qualität je nach Transportunternehmen unterschiedlich überprüft. Mit dem neuen System gälten bei allen die gleichen Spielregeln. Rund 90 Transportunternehmen sollen laut BAV teilnehmen. Das System kostet jährlich rund 3 Millionen Franken.
Kein unvernünftiger Aufwand
Die Transportunternehmen selbst wissen zum Teil noch nicht ganz genau, was auf sie zukommt. Nicht die Tester bereiten einigen Chefs Sorgen, sondern die einheitliche Pünktlichkeitsmessung, die das BAV gleichzeitig einführt. Die Daten dazu müssen die Unternehmen Online liefern; das BAV bereitet diese dann in einer Datenbank auf.
Für die Branche ist es laut Andreas Keller, dem Sprecher des Verbands öffentlicher Verkehr (VöV) , wichtig, dass kein «unvernünftiger Mehraufwand» generiert wird. Und dass «die gewonnenen Kennzahlen sinnvolle Aussagen zur Qualität ermöglichen, die es erlauben, entsprechende Schlüsse zu ziehen und Empfehlungen umzusetzen».
Kein Papiertiger
«Das Qualitätsmesssystem muss für die Kunden einen echten Mehrwert generieren und darf kein Papiertiger werden», sagt Keller. Auch die in der IGöV organisierten Kunden begrüssen die schweizweiten Qualitätskontrollen am Mittwoch in einer Mitteilung.
Allerdings warnt die IGöV vor der Gefahr «hoher Intransparenz» durch verdeckte Kontrollen. Sie verlangt, dass die Kriterien für die Kontrollen offengelegt, dafür rechtliche Grundlagen geschaffen und die Ergebnisse veröffentlicht werden. «Intransparentes Gemauschel muss von Beginn weg verhindert werden», verlangt die IGöV.
Gewerkschafter sieht Ansporn
Für Philipp Hadorn, Gewerkschaftssekretär der Gewerkschaft des Verkehrspersonals SEV, dagegen sind «zweckmässige Qualitätskontrollen in Ordnung». In solchen schneide der ÖV gut ab, wie frühere Auswertungen gezeigt hätten. Die Öffentlichkeit habe einen Anspruch auf Qualität im ÖV angesichts der Steuergelder, die investiert würden, sagt Hadorn auf Anfrage.
Die Frage, ob angesichts der hohen Qualität im öffentlichen Verkehr noch mehr Kontrollen nötig seien, beantwortet das Mitglied der Finanzkommission das Nationalrats (SP/SO), mit einem Vergleich: «Ein guter Schüler braucht eigentlich keine Noten. Ein Sechser kann ihn aber motivieren, das nächste Mal wieder alles zu geben.»
Es sei zudem möglich, dass die Qualitätstester noch Verbesserungswürdiges zu Tage förderten. «Eine gute Kontrolle ist eine gute Sache», sagte Hadorn.