Das Bundesamt für Migration beauftragt seit 20 Jahren dieselbe Firma mit dem Betrieb der sieben Asylzentren des Bundes. Damit verstösst es gegen das Gesetz, sagt nun der Bundesrat. Die Aufträge hätten alle fünf Jahre öffentlich ausgeschrieben werden müssen.
Seit 1991 ist die ORS Service AG aus Zürich das einzige Unternehmen, das die Bundesasylzentren betreut. Die Aufträge erteilt hat das Bundesamt für Migration (BFM). Doch nun stellt der Bundesrat fest: Das BFM hätte die Aufträge alle fünf Jahre neu ausschreiben müssen. Mit seinem Versäumnis verstösst das Bundesamt gegen das Gesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB), das seit 1996 in Kraft ist.
Gemäss interner Evaluation „hätte das BFM die Vergabe der Betreuungsdienstleistungen ab Inkrafttreten des BöB jeweils öffentlich ausschreiben müssen“, schreibt der Bundesrat in seiner Antwort auf eine Interpellation des Bündner SVP-Nationalrats Heinz Brand. Die Antwort publik gemacht hat Schweizer Radio DRS am Freitagmorgen.
Bund rechnete nicht mit Konkurrenz
Dass die Ausschreibungen bisher versäumt wurden, führt das BFM darauf zurück, dass sich die Zusammenarbeit mit der ORS seit 1991 bewährt habe. „Zudem ging man davon aus, dass keine weiteren Anbieter für diese spezifische Dienstleistungserbringung vorhanden seien“, heisst es in der Interpellationsantwort.
Die Firma ORS beschäftigt gemäss eigenen Angaben 600 Mitarbeitende und betreut rund 6500 Asylsuchende pro Tag.
Auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda sagte BFM-Sprecher Michael Glauser, bei der Betreuung von Asylsuchenden handle es sich um eine „sehr anspruchsvolle Aufgabe“. Verschiedene Kulturen und Spannungen in den Zentren erforderten ein hohes Mass an Professionalität.
Die Firma ABS Betreuungsservice AG aus Pratteln BL ist ebenfalls im Asylbereich tätig und wundert sich über die Einschätzung, wonach es keine anderen Anbieter gebe. Gegenüber Radio DRS sagte ABS-Geschäftsleiterin Franziska Ramseyer: „Natürlich interessiert uns das. Aktuell und auch in der Vergangenheit.“
Der Bund gelobt Besserung: Noch in diesem Jahr sollen die Aufträge öffentlich ausgeschrieben werden. Der ORS bereitet dies „keine Sorge“, wie Direktor Stefan Moll-Thissen auf Anfrage der sda sagte. Die Firma werde die Situation aufmerksam verfolgen und sich wieder bewerben.
Das Schweigen zu den Kosten
Wie viel die ORS mit dem Betrieb der Zentren verdient, will sie nicht bekannt geben. Und auch beim BFM heisst es: „Dazu gibt es im Moment nichts zu kommunizieren.“ Wer eine Auskunft wolle, habe einen Antrag auf Einsicht nach Öffentlichkeitsgesetz zu stellen.
Laut Angaben der Wirtschaftsplattform Teledata hat die ORS Service AG im Geschäftsjahr 2010 insgesamt 55,5 Millionen Franken umgesetzt.
Der vpod, die Gewerkschaft des Personals öffentlicher Dienste, fordert Konsequenzen. Der Bund solle die Empfangsstellen für Flüchtlinge selbst betreiben, schreibt der Verband in einer Mitteilung. Es sei „nicht einzusehen, warum eine private AG mit dem Betrieb der Empfangsstellen Geld verdienen soll“.