Im NSU-Prozess ist am zweiten Verhandlungstag die Anklage gegen die mutmassliche Neonazi-Terroristin Beate Zschäpe und vier weitere Beschuldigte verlesen worden. Die Bundesanwaltschaft wirft Zschäpe Mittäterschaft bei sämtlichen Taten der rechtsextremen Terrorzelle «Nationalsozialistischer Untergrund» (NSU) vor.
Zschäpe habe gemeinschaftlich mit den gestorbenen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos unter anderem zehn Morde begangen. Die 38-Jährige verfolgte am Dienstag die Verlesung der Anklage zurückgelehnt und ohne sichtbare Regung.
In der Anklage beschrieb Bundesanwalt Herbert Diemer das Konzept des NSU. Demnach sollten Menschen südeuropäischer, vornehmlich türkischer Herkunft «willkürlich ausgewählt und durch hinrichtungsgleiche Erschiessungen getötet werden».
Detailliert schilderte der Bundesanwalt die einzelnen Morde: Wie Böhnhardt und Mundlos neun Geschäftsmänner türkischer und griechischer Herkunft mit einer Pistole der Marke «Ceska» erschossen.
«Der Angeklagten Zschäpe, die jeweils an der Planung und Vorbereitung beteiligt war, oblag es, während der Tatausführung regelmässig die Reisebewegungen von Böhnhardt und Mundlos abzutarnen und einen sicheren Rückzugsraum zu schaffen», sagte Diemer.
Darüber hinaus seien die Mitglieder des NSU verantwortlich für zwei Sprengstoffanschläge in Köln, bei denen mindestens 23 Menschen schwer verletzt wurden; ausserdem für den Mordanschlag auf zwei Polizisten in Heilbronn, bei dem eine Beamtin getötet wurde.
Tatbeute verwaltet
Auch bei den 15 Banküberfällen, die Böhnhardt und Mundlos zugerechnet werden, sei Zschäpe die Aufgabe zugekommen, «die Reisebewegungen ihrer Komplizen zu verschleiern und einen sicheren Rückzugsraum zu schaffen, sowie die Tatbeute zu verwalten, indem sie die notwendigen finanziellen Verpflichtungen nach aussen regelte».
Die Anschläge und Raubüberfälle seien «ohne eine im jeweiligen Einzelfall sichere Verschleierung, einen sicheren Ausgangspunkt und einen sicheren Rückzugsraum über einen derart langen Zeitraum hinweg und in dieser Häufung nicht möglich gewesen», so die Anklage.
Schliesslich habe Zschäpe die gemeinsame Wohnung angezündet, nachdem sich Böhnhardt und Mundlos am 4. November 2011 getötet hatten, um einer Festnahme zu entgehen. «Als Gründungsmitglied einer Kerngruppe, die ihre nationalsozialistisch geprägten rassistischen Vorstellungen unterschiedslos teilte und deren einzige Zweckbestimmung die Tötung von Menschen war, wusste die Angeklagte dies und wollte auch in jedem Einzelfall den Erfolg.»
Zu jeder Tat eigenen Beitrag geleistet
Damit wollte Zschäpe der Anklage zufolge nicht nur den Bestand der Gruppe sichern, sondern zu jeder Tat einen eigenen, gleichwertigen Beitrag leisten. Zschäpe habe Böhnhardt mehrmals bei der Anmietung von Wohnmobilen begleitet, und sie habe sich auch an der Beschaffung von Waffen beteiligt. Hierauf stützt die Bundesanwaltschaft im wesentlichen den Vorwurf der Mittäterschaft.
André E. sei dem NSU unter anderem bei der Beschaffung von Wohnmobilen behilflich gewesen. Holger G. habe Dokumente und Ausweise beschafft, um den dreien ein Leben in der Illegalität zu ermöglichen. Ralf Wohlleben und Carsten S. schliesslich sollen die «Ceska» beschafft haben, mit der Böhnhard und Mundlos töteten. Ihnen wirft die Bundesanwaltschaft Beihilfe zu neun Morden vor.
Anträge auf Aussetzung des Prozesses abgelehnt
Zuvor war das Verfahren vor dem Münchner Oberlandesgericht auch am zweiten Prozesstag erneut durch Anträge von Zschäpes Verteidigern und die darauf folgenden Beratungen der Richter verzögert worden.
Die Verteidiger hatten mit Verweis auf das Gebot der Öffentlichkeit von Strafverfahren unter anderem gefordert, die Verhandlung auszusetzen und in einen grösseren Saal zu verlegen. Das Gericht lehnte diesen und weitere Anträge aber ab.