Abgewiesenen Asylbewerbern und Sans-Papiers darf die Heirat in der Schweiz nicht systematisch verweigert werden. Das Bundesgericht hat den Kantonen den Weg für eine menschenrechtskonforme Umsetzung der „Lex Brunner“ aufgezeigt und einem Waadtländer Paar Recht gegeben.
Als Folge der parlamentarischen Initiative von Nationalrat Toni Brunner (SVP) wurde auf Anfang dieses Jahres im Zivilgesetzbuch (ZGB) eine neue Bestimmung eingeführt: Ausländische Verlobte müssen im Vorbereitungsverfahren zur Eheschliessung nachweisen, dass sie sich rechtmässig in der Schweiz aufhalten.
Unsicherheit in den Kantonen
Mit der neuen Regelung soll verhindert werden, dass sich abgewiesene Asylbewerber und Sans-Papiers durch eine Scheinehe mit Schweizer Bürgern oder anwesenheitsberechtigten Ausländern der Ausschaffung automatisch entziehen können.
Allerdings war umstritten, ob die „Lex Brunner“ mit dem in Artikel 12 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verankerten Recht auf Eheschluss vereinbar ist. In den Kantonen herrschen entsprechende Unsicherheiten bei der Anwendung der neuen Norm.
Das Bundesgericht hat in einem Grundsatzentscheid nun den Weg vorgegeben, wie die „Lex Brunner“ menschenrechtskonform umzusetzen ist. Die Richter in Lausanne verweisen zunächst auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) von 2010.
Vorgaben aus Strassburg
Der EGMR war in einem englischen Fall zum Schluss gekommen, dass illegal anwesenden Ausländern der Eheschluss nicht systematisch verweigert werden darf. Massnahmen zur Bekämpfung von Scheinehen müssten verhältnismässig sein. Insbesondere sei abzuklären, ob der Ehewunsch auf einer ehrlichen Absicht beruhe.
Laut Bundesgericht könnte aufgrund dieser Vorgaben auch die „Lex Brunner“ gegen die EMRK verstossen, wenn sie ungeachtet des Einzelfalls angewendet würde. Den Zivilstandsämtern selber seien indessen aufgrund des klaren Willens des Gesetzgebers die Hände für eine flexible und damit EMRK-konforme Praxis gebunden.
Klare Voraussetzungen
Es sei deshalb Sache der Fremdenpolizeibehörden, dem Recht auf Eheschluss und dem Gebot der Verhältnismässigkeit Rechnung zu tragen und den Betroffenen gegebenfalls für das Eheverfahren eine provisorische Aufenthaltsbewilligung auszustellen.
Dazu müssen laut Gericht allerdings gewisse Voraussetzungen erfüllt sein. Einerseits dürfen keine Indizien für einen Missbrauch – also eine Scheinehe – vorliegen. Andererseits muss feststehen, dass die ausländische Person nach dem Eheschluss die Bedingungen für einen nunmehr rechtmässigen Aufenthalt in der Schweiz erfüllt.