Im Juni stimmt die Schweiz über die Zulassung der Präimplantationsdiagnostik ab. Bundesrat Alain Berset hat für die Vorlage geworben, auch wenn sich die Regierung eine weniger weit gehende Liberalisierung gewünscht hätte.
Präimplantationsdiagnostik (PID), die Untersuchung künstlich befruchteter Embryos vor der Einpflanzung in den Mutterleib, ist heute grundsätzlich verboten. Das Verbot soll mit einer vom Parlament beschlossenen Gesetzesänderung aufgehoben werden. In einem ersten Schritt muss dafür die Verfassung geändert werden, und nur darüber wird am 14. Juni abgestimmt.
Heute dürfen gemäss Verfassung nur so viele Embryos ausserhalb des Mutterleibs entwickelt werden, wie direkt in die Gebärmutter eingepflanzt werden können. Aus medizinischen Gründen ist die Zahl damit auf drei beschränkt. «De facto bedeutet dies ein Verbot der Präimplantationsdiagnostik», sagte Berset am Montag vor den Medien in Bern.
Zulassung in zwei Schritten
Gemäss dem neuen Verfassungstext wäre die Befruchtung so vieler Einzellen zulässig, wie «für die medizinisch unterstützte Fortpflanzung notwendig sind». Das vom Parlament bereits beschlossene Gesetz begrenzt diese Zahl auf zwölf. Gleichzeitig erlaubt es das Einfrieren befruchteter Eizellen, die nicht sofort verwendet werden.
Kern der Gesetzesänderung ist jedoch die Zulassung von Untersuchungen ausserhalb des Mutterleibs. Der Bundesrat wollte diese Möglichkeit lediglich für jene Paare schaffen, die bekanntermassen Träger schwerer Erbkrankheiten sind. Viele von ihnen verzichteten heute auf ein Kind, weil sie ihre Krankheit nicht weitergeben wollten, sagte Gesundheitsminister Berset.
Das Parlament entschied jedoch, dass alle Paare, die auf Methoden der künstlichen Befruchtung zurückgreifen, die Embryos vor der Einpflanzung auf Erbkrankheiten und Chromosomenanomalien untersuchen lassen dürfen. Statt 50 bis 100 sind das rund 6000 pro Jahr.
Entlastung für Paare
Dafür wurden unterschiedliche Gründe ins Feld geführt: Die Einpflanzung eines gesunden Embryos erhöhe die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Schwangerschaft. Der Frau würden dadurch erfolglose Behandlungen erspart.
Zudem werde die unbefriedigende Rechtslage korrigiert, dass Embryos zwar nicht im Reagenzglas, wohl aber später im Mutterleib untersucht werden dürfen. Eltern könnten sich dadurch mit der schwierigen Frage eines Schwangerschaftsabbruchs konfrontiert sehen, sagte Berset.
Und schliesslich soll mit der Revision der so genannte PID-Tourismus eingedämmt werden: Weil in anderen Ländern weniger strenge Regeln gelten, weichen viele Paare für künstliche Befruchtungen und Untersuchungen ins Ausland aus. Genaue Zahlen dazu gibt es nicht.
Grenzen der Machbarkeit
Diese Argumente können die Bedenken der Gegner aus kirchlichen Kreisen und der Skeptiker der grenzenlosen Machbarkeit nicht zerstreuen. Sie lehnen jede Selektion ab, weil sie eine Unterscheidung von wertem und unwertem Leben für unzulässig halten.
Sie befürchten auch einen «Zwang zum gesunden Kind»: Viele Eltern könnten sich unter gesellschaftlichem Druck zu Untersuchungen an Embryos praktisch gezwungen sehen. Nach Ansicht der Gegner ist es von da nicht mehr weit zum «Designer-Baby» und zur Eugenik. «Die Frage lässt niemanden kalt», sagte Berset.
Die EVP will gegen das Gesetz das Referendum ergreifen. Bei der CVP, in kirchlichen Kreisen und einem Teil der Behindertenorganisationen ist die Skepsis ebenfalls gross. Die Referendumsfrist beginnt aber erst nach Annahme des geänderten Verfassungsartikels zu laufen. Eine allfällige Abstimmung würde laut Berset nicht mehr dieses Jahr stattfinden.
Der Bundesrat werde dabei die Beschlüsse des Parlaments unterstützen, erklärte Berset. Dieses will mit der Liberalisierung zwar weiter gehen als von der Regierung geplant, setzt aber immer noch enge Grenzen. So kam etwa für die so genannten Retterbabys keine Mehrheit zustande. Auch die Selektion nach bestimmten Eigenschaften bleibt verboten.
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