Bundesrat Eduard von Steiger (1881-1962) bleibt Ehrenbürger der Emmentaler Gemeinde Langnau. Der örtliche Gemeinderat lehnte es am Montag ab, von Steiger die Ehre abzuerkennen. Hintergrund ist eine Polemik um von Steigers Rolle in der Flüchtlingspolitik während des zweiten Weltkriegs.
Von Steiger habe als seinerzeitiger Justizminister angeordnet, jüdische Flüchtlinge an der Landesgrenze zurückzuweisen, kritisierten die Jungsozialistinnen und Jungsozialisten (JUSO) kürzlich.
Die Gemeinde solle deshalb von Steigers Ehrenbürgerrecht widerrufen, lautete die Forderung der JUSO. Der Langnauer Gemeindepräsident Bernhard Antener (SP) brachte das Thema daraufhin im Gemeinderat zur Sprache. Rückgängig machen will der Gemeinderat die Ehrung aber nicht, wie er am Montagnachmittag mitteilte.
Verantwortung nicht abnehmen
Dem gebürtigen Langnauer von Steiger und dessen Ehefrau wurde im Juni 1944 von der Gemeindeversammlung einstimmig das Ehrenbürgerrecht verliehen. Dass an der damaligen Gemeindeversammlung die anwesenden Langnauer Kenntnis von den dramatischen Vorgängen an der Grenze und der Rolle des damaligen Bundesrats gehabt haben, dürfe doch bezweifelt werden, kommt der Gemeinderat zum Schluss.
Dennoch hätten die damaligen Entscheidträger für ihr Handeln Verantwortung übernommen. Diese könne und wolle der heutige Gemeinderat ihnen nicht abnehmen.
Lehren ziehen
Die leidvolle Geschichte des zweiten Weltkriegs und die zweifelhafte Flüchtlingspolitik der damaligen Landesregierung könne der Langnauer Gemeinderat nicht rückgängig machen – auch nicht mit einem symbolischen Widerruf des Ehrenbürgerrechts 50 Jahre nach dem Tod des Ehepaars von Steiger.
Der Gemeinderat versuche aber, sich dafür einzusetzen, dass aus Fehlern und Irrtümern der Vergangenheit Lehren gezogen würden und dass solches Leid den Menschen nicht mehr widerfahre.
JUSO bedauert
Die JUSO bedauert laut Mitteilung vom Montag den Entscheid des Langnauer Gemeinderates. Die Jungpartei bedankt sich gleichzeitig aber auch bei der Gemeindeexekutive für ihre klare Stellungnahme.
„Wir sind froh, dass der Gemeinderat es nicht bei diesem Entscheid beruhen lassen will, sondern weitere Schritte ankündigt, damit nachkommende Generationen aus den Fehlern und Irrtümern der Vergangenheit Lehren ziehen können“, heisst es.