Der Bundesrat will die Masseneinwanderungs-Initiative der SVP wortgetreu umsetzen. Die Eckwerte, die er am Freitag vorgestellt hat, sehen eine Beschränkung der Zuwanderung vor. Dazu sollen ab Februar 2017 wieder Ausländerkontingente eingeführt werden.
Unter die Kontingente würden neben den Aufenthaltsbewilligungen auch Kurzaufenthaltsbewilligungen mit einer Dauer zwischen 4 bis 12 Monaten fallen sowie jene für Grenzgänger. Bei allen kontingentierten Bewilligungsarten würde ein Inländervorrang gelten.
Die Grösse des Kontingents soll jährlich vom Bundesrat festgelegt werden. Dabei stützt sich die Regierung auf den Bedarf der Kantone, will aber auch die Empfehlungen eines Expertengremiums berücksichtigen, in dem die Arbeitsmarkt- und Migrationsbehörden von Bund und Kantonen vertreten sind. Auch die Sozialpartner sollen einbezogen werden. Eine Privilegierung gewisser Branchen ist nicht vorgesehen.
Keine fixe Grösse
Auf ein fixes Reduktionsziel verzichtet der Bundesrat. Ein solches würde es nicht ermöglichen, bei der Steuerung der Zuwanderung die Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage zu berücksichtigen, schreibt er in einer Mitteilung. Ein solches Vorgehen hält der Bundesrat mit dem Verfassungstext vereinbar, da dieser ebenfalls keine Höchstzahl enthält.
Einschränkungen des Familiennachzugs lehnt er ab. Im Asylbereich will er den neuen Verfassungsartikel vereinbar mit den zwingenden Bestimmungen des Völkerrechts umsetzen. Die Verletzung von völkerrechtlichen Verpflichtungen lässt sich aber nicht vermeiden.
So ist die Einschränkung der Zuwanderung mit dem geltenden Freizügigkeitsabkommen mit der EU unvereinbar. Der Bundesrat will darum mit der EU darüber Verhandlungen aufnehmen. Dies schreibt auch der neue Verfassungsartikel vor. Bis im Herbst soll ein Verhandlungsmandat vorliegen. Ein Gesetzesentwurf zur Umsetzung der am Freitag präsentierten Eckwerte will der Bundesrat bis Ende Jahr präsentieren.
Eng am Verfassungstext
Seine Vorschläge stützt der Bundesrat auf die Empfehlungen einer Expertengruppe. Er entschied sich für ein Umsetzungskonzept, das sich eng an den Text der am 9. Februar angenommenen Initiative hält.
Diese verlangt, dass die Schweiz die Zuwanderung eigenständig steuert. Die Zahl der Bewilligungen für den Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern muss durch jährliche Höchstzahlen und Kontingente begrenzt werden.
Der Verfassungstext sieht einen Vorrang für Schweizerinnen und Schweizer vor. Völkerrechtliche Verträge, die diesen Bestimmungen widersprechen, müssen innerhalb von drei Jahren angepasst werden. All diese Vorgaben will der Bundesrat erfüllen.
Auch mit der Ausnahme des Familiennachzugs verletzt der Bundesrat den neuen Verfassungsartikel nicht. Dieser sieht vor, dass der Familiennachzug eingeschränkt werden kann, eine Pflicht dazu begründet er aber nicht.
Gemäss Verfassungstext müssten Kontingente für alle Bewilligungsarten eingeführt werden. Mit der Ausnahme von Kurzaufenthaltern kommt der Bundesrat jedoch der SVP entgegen. Diese hatte selber vorgeschlagen, Bewilligungen von bis zu drei Monaten Dauer davon auszunehmen.
Die Verfassung gilt
Vor den Medien begründete Justizministerin Simonetta Sommaruga, warum der Bundesrat bei der Umsetzung der Initiative nahe am Verfassungstext bleiben will. Es gebe einen gewissen Spielraum bei der Umsetzung von Initiativen. Aber die Verfassung gelte. Dies sei für den Bundesrat selbstverständlich, und es sollte für die politischen Akteure selbstverständlich sein.
Parallel zum innenpolitischen Prozess werde nun ein europapolitischer Prozess in Gang gesetzt. Beide Prozesse seien mit Unwägbarkeiten verbunden. «Wir wissen bei beiden Prozessen nicht, wo wir landen werden.» Innenpolitisch sei ein Referendum oder eine neue Initiative möglich, aussenpolitisch wisse man nicht, wie die EU reagiere.