Paare sollen nicht steuerlich schlechter behandelt werden, weil sie verheiratet sind. Der Bundesrat hat dargelegt, wie er die „Heiratsstrafe“ beseitigen will. Er muss dafür aber Steuerausfälle von einer Milliarde Franken kompensieren. Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer kommt bei den Parteien jedoch schlecht an.
Teilweise werden Ehepaare heute bei der direkten Bundessteuer gegenüber unverheirateten Paaren benachteiligt. Das Bundesgericht bezeichnet dies als verfassungswidrig, wenn der Unterschied in der Steuerbelastung in vergleichbarer Einkommenslage über 10 Prozent liegt.
Betroffen davon sind rund ein Drittel der Zweiverdienerehepaare und zahlreiche Rentnerehepaare. Bei den Ehepaaren im Erwerbsleben sind es rund 80’000 Paare mit zwei Netto-Erwerbseinkommen von zusammen über 80’000 Franken. Zwei Drittel der Zweiverdienerehepaare wurden bereits im Jahr 2008 entlastet.
Nachdem der Bundesrat in der Vergangenheit mehrmals eine Reform für die übrigen Ehepaare angekündigt hatte, schickte er am Mittwoch einen Vorschlag in die Vernehmlassung, wie das Finanzdepartement (EFD) mitteilte. Die Konsultation dauert bis am 5. Dezember.
Der Missstand, den etwa die CVP mit einer Volksinitiative beseitigen will, soll mit einer „alternativen Steuerberechnung“ behoben werden. Dabei vergleichen die Steuerbehörden den Steuerbetrag eines Paares nach dem Verheiratetentarif mit dem Betrag, den die Eheleute nach individuellem Tarif bezahlen müssten. Der niedrigere der beiden Beträge wird in Rechnung gestellt.
Gegen Individualbesteuerung
Damit hat sich der Bundesrat wie angekündigt gegen eine Individualbesteuerung entschieden, wie sie etwa die FDP und die SP favorisieren. Bei der Individualbesteuerung würden die Ehegatten je einzeln besteuert. Sie ist aber in konservativen Kreisen umstritten, weil diese damit das traditionelle Familienmodell mit einem – meist männlichen – Verdiener in Gefahr wähnen.
Die „alternative Steuerberechnung“ übe dagegen keinen Einfluss auf die Wahl eines Lebens- oder Familienmodells aus, argumentiert der Bundesrat. Sie verhalte sich dazu möglichst neutral. Das Prinzip führe zudem zu geringeren Steuerausfällen als die Individualbesteuerung, aber auch als das Ehepaar-Splitting, bei dem die Einkommen geteilt und zu einem tieferen Tarif besteuert werden.
Dennoch dürften die Kosten Knackpunkt der Reform werden: Der Bund rechnet mit Einbussen von einer Milliarde Franken pro Jahr wegen der Massnahmen. Da nur die Bundessteuer betroffen ist, gibt es bei den Kantonen keine Ausfälle – dort gibt es in der Regel auch keine Benachteiligung.
Zur Finanzierung der Reform strebt der Bundesrat einerseits ein Sparprogramm an, um die Ausgaben zu senken. Zur Erhöhung der Einnahmen will er anderseits entweder die Mehrwertsteuer erhöhen oder auf den Ausgleich der kalten Progression verzichten. Der Bundesrat äussert sich nicht dazu, welche Variante er bevorzugt.
Dass einige Ehepaare benachteiligt werden, hat laut Bundesrat auch damit zu tun, dass andere bei den Steuern „übermässig“ entlastet werden – etwa Unverheiratete mit Kindern.
Für sie soll deshalb künftig der Grund- statt der Verheiratetentarif gelten. Konkubinatspaare mit Kindern bezahlen dadurch mehr Steuern. Damit Alleinerziehende nicht stärker belastet werden, will der Bundesrat einen neuen Abzug von 11’000 Franken kreieren.
Kritik von SP und FDP
In ersten Reaktionen begrüssten SVP, SP, FDP und CVP die Richtung, die der Bundesrat mit seinen Vorschlägen einschlägt. Im Detail hagelt es aber Kritik – vor allem von SP und FDP, welche die Individualbesteuerung favorisieren.
„Es ist nicht unser Wunschmodell“, sagte SP-Generalsekretär Stefan Hostettler zur Nachrichtenagentur sda. Und die FDP warnt, das vorgeschlagene System führe zu einem enormen Aufwand für die Steuerämter und damit zu einem „Bürokratiemonster“.
Die SVP will sich laut Generalsekretär Martin Baltisser erst in der Vernehmlassung zu den Details äussern, während CVP-Sprecherin Marianne Binder konstatiert: „Unsere Forderungen sind noch nicht alle erfüllt.“ In ihrer Initiative fordere die CVP auch ein Ende der Diskriminierung bei den AHV-Renten.
Auf wenig Akzeptanz stösst der bundesrätliche Vorschlag, die Steuerausfälle über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zu kompensieren. Die SVP will eine Lösung über Steuererhöhungen grundsätzlich nicht unterstützen, die CVP spricht von einem falschen Ansatz, und die SP fürchtet, neben der „wenig sozialen“ Mehrwertsteuer würden auch Ausgabenkürzungen notwendig, unter denen wenig Verdienende besonders zu leiden hätten.