Die Personenfreizügigkeit mit der EU ist nicht zuletzt wegen Fällen von Sozialhilfe-Missbrauch unter Druck. Wenige Wochen vor der Abstimmung über die SVP-Zuwanderungsinitiative schlägt der Bundesrat eine härtere Gangart gegenüber Arbeitslosen und Rentnern aus der EU an.
Der Bundesrat zieht die Schraube für Arbeitslose und Rentner aus der EU an. Gross ist der Spielraum nicht, gilt es doch, die Vorgaben des Freizügigkeitsabkommens mit der EU einzuhalten. Andererseits sieht das Abkommen aber keinen generellen Sozialhilfe-Anspruch für Stellensuchende oder Arbeitslose aus EU- und EFTA-Ländern vor.
Die Kantone haben diesen Grundsatz bisher jedoch nicht einheitlich angewendet. Der Bundesrat hat deshalb am Mittwoch entschieden, eine schweizweit verbindliche Regelung einzuführen: Wer aus der EU/EFTA lediglich zur Stellensuche in die Schweiz einreist, soll keine Sozialhilfe erhalten. Das gilt auch für die Familienangehörigen.
Die Regierung hat das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) beauftragt, bis im Mai ein Änderung des Ausländergesetzes vorzulegen. Fraglich ist, ob der Bund in dem Bereich überhaupt Regeln aufstellen kann, da die Sozialhilfe eine Kompetenz der Kantone ist. Die Sozialdirektorenkonferenz der Kantone geht jedoch davon aus, dass es sich um eine ausländerrechtliche Vorschrift handelt und Kantonshoheit deshalb nicht tangiert ist.
Information über Ergänzungsleistungen
Auch Rentnerinnen und Rentner aus EU- und EFTA-Ländern nimmt der Bundesrat ins Visier: Beziehen sie Ergänzungsleistungen, soll ihnen die Aufenthaltsbewilligung entzogen werden können.
Zwar gilt diese Regelung bereits heute; sie lässt sich jedoch nur schwer durchsetzen. Der Grund dafür sei, dass die Ausländerbehörde nicht wisse, wer Ergänzungsleistungen beziehe, sagte Martin Reichlin vom Bundesamt für Migration auf Anfrage.
Der Bundesrat will deshalb einen automatischen Informationsaustausch zwischen den kantonalen Behörden über den Bezug von Ergänzungsleistungen einführen.
Die Revision des Ergänzungsleistungsgesetzes würde es den Behörden ermöglichen, das Aufenthaltsrecht richtig zu überprüfen, sagte Reichlin. «Die Idee ist, die Lücke zu schliessen für ungerechtfertigte Leistungsbezüge.» Auch dazu soll bis im Mai eine Vernehmlassungsvorlage vorliegen.
Mit einer Verordnungsänderung will der Bundesrat ausserdem sicherstellen, dass EU-Bürgern eine Niederlassungsbewilligung verweigert wird, falls sie in den vorangegangenen 12 Monaten arbeitslos waren. Dies soll auch dann gelten, wenn mit ihrem Heimatstaat eine Niederlassungsvereinbarung vorliegt.
Keine Niederlassung bei Arbeitslosigkeit
Eine solche hat die Schweiz heute mit den meisten EU-Ländern. Gemäss Reichlin sehen die Vereinbarungen eine Art Automatismus nach fünfjährigem Aufenthalt in der Schweiz vor. Dieser würde unter dem neuen Regime hinfällig.
Der Bundesrat hat das EJPD mit einer Änderung der Verordnung über die Einführung des freien Personenverkehrs beauftragt. Dabei soll auch klar definiert werden, unter welchen Voraussetzungen EU-/EFTA-Bürgerinnen und Bürger das Aufenthaltsrecht verlieren, wenn sie ihre Erwerbstätigkeit aufgeben.
Bereits 2010 hat der Bundesrat ein erstes Massnahmenpaket beschlossen gegen unberechtigte und missbräuchliche Sozialleistungsansprüche, gegen unberechtigte Aufenthaltsansprüche und gegen Lohn- und Sozialdumping.
Vor einem Jahr lancierte er zudem ein Missbrauchsmonitoring für EU-Bürger. Die Arbeitsgruppe, in der alle betroffenen Behörden vertreten sind, soll Vorschläge für ein sinnvolles Monitoring ausarbeiten.