Der Bundesrat verbietet die Dschihadistengruppe Islamischer Staat in der Schweiz. Morgen Donnerstag tritt die Verordnung für sechs Monate in Kraft.
Der Bundesrat hat entschieden, die Dschihadistengruppe Islamischer Staat (IS) in der Schweiz explizit zu verbieten. Er hat am Mittwoch eine Verordnung verabschiedet, die am Donnerstag in Kraft tritt und auf sechs Monate befristet ist.
Die Gruppierung «Islamischer Staat» begehe massive Verletzungen der Menschenrechte, schreibt das Verteidigungsdepartement (VBS) in einer Mitteilung. Aufgrund der Eskalation der vergangenen Wochen habe der Bundesrat entschieden, den IS und verwandte Organisationen zu verbieten.
Die Verordnung verbietet nicht nur sämtliche IS-Aktivitäten im In- und Ausland, sondern auch alle Aktionen, die deren materieller oder personeller Unterstützung dienen, beispielsweise Propaganda- oder Geldsammelaktionen und das Anwerben neuer Mitglieder.
Widerhandlungen werden mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder mit einer Geldstrafe geahndet, sofern nicht strengere Strafbestimmungen zur Anwendung kommen. Vermögenswerte können eingezogen werden.
Verbot im Nachrichtendienstgesetz
Weil die Verordnung befristet ist, braucht es längerfristig aber einen anderen Ansatz. Der Bundesrat hat das VBS beauftragt, dem Bundesrat eine Lösung zu unterbreiten, damit ab Ende Jahr das Verbot von IS und verwandten Organisationen sowie das Verbot der Gruppierung Al-Kaida und verwandter Organisationen gewährleistet ist. Die Al-Kaida-Verordnung läuft nämlich Ende 2014 aus.
Eine Regelung auf Gesetzesstufe in Form eines allgemeinen Organisationsverbots schliesst der Bundesrat nicht gänzlich aus. Eine solche ist derzeit zwar nicht vorgesehen, wie das VBS schreibt. Der Bundesrat sei jedoch bereit, über Lösungen zu diskutieren, falls etwa im Rahmen der parlamentarischen Beratungen zum Nachrichtendienstgesetz entsprechende Vorschläge eingebracht würden.
Keine grosse Wirkung
Das ausdrückliche Verbot des IS hatte Verteidigungsminister Ueli Maurer Ende September angekündigt. Er werde dem Bundesrat ein Verbot beantragen, sagte er in einem Zeitungsinterview. Ein solches wäre als rein präventive Massnahme zu sehen, es gebe keine Hinweise darauf, dass der IS als Organisation in der Schweiz aktiv sei.
Das Verbot sei aus verschiedenen Gründen angezeigt, sagte Maurer: Wegen der jüngsten UNO-Resolution gegen ausländische Terrorkämpfer, wegen der Ausdehnung des IS-Terrors und aus internationaler Solidarität. Die Wirkung des Verbots könne und werde nicht sehr gross sein.
Noch bis Ende Jahr verboten
Hinzu kommt, dass der IS derzeit eigentlich schon verboten ist, wenngleich nur bis Ende Jahr: Die Organisation kann der Verordnung des Verbots der Al-Kaida und verwandter Organisationen untergeordnet werden, wie das Aussendepartement (EDA) jüngst bestätigte.
Der Bundesrat hatte die Verordnung über das Verbot der Gruppierung Al-Kaida und verwandter Organisationen nach den Anschlägen vom 11. September erlassen, im November 2001. Nach Verlängerungen in den Jahren 2003, 2005 und 2008 lief sie Ende 2011 aus. In der Folge überführte der Bundesrat die Regierungsverordnung in eine Verordnung der Bundesversammlung. Eine solche muss auf maximal drei Jahre befristet sein.
Kein Gesetz für Organisationsverbote
Andere Lösungen hatte der Bundesrat damals verworfen. So lehnte er die Schaffung einer allgemeinen Rechtsgrundlage für ein Verbot staatsgefährdender, terroristischer Organisationen ab. Organisationsverbote seien eine der radikalsten Massnahmen gegen staatszersetzende Umtriebe und sollten nur in seltenen Ausnahmefällen zur Anwendung gelangen, stellte das EDA dazu fest.
Ausserdem seien im Fall der Organisation «Islamischer Staat» die Kriterien für eine unmittelbar drohende schwere Störung der inneren oder äusseren Sicherheit derzeit nicht erfüllt.
Beteiligung ohnehin strafbar
An der Strafbarkeit der Beteiligung am Netzwerk Al-Kaida oder an der Gruppierung IS würde der Verzicht auf spezifische Verbote nichts ändern. Die Rechtsprechung des Bundesgerichts subsumiert unter den Begriff der kriminellen Organisation hochgefährliche terroristische Gruppierungen.
Bislang sind laut EDA keine Urteile gefällt worden, die sich auf die Verordnung der Bundesversammlung über das Verbot der Al-Kaida und verwandter Organisationen stützen.