In den vergangenen Jahren stand die Schweiz wegen ihres Finanzplatzes unter Druck und musste internationale Standards übernehmen. Nach den turbulenten Zeiten will der Bundesrat nun vor allem die Wettbewerbsfähigkeit der Branche stärken und neue Technologien fördern.
Finanzminister Ueli Maurer sprach am Donnerstag vor den Medien in Bern von einem Strategiewechsel. Das Kapitel der vergangenen Jahre sei abgeschlossen. «Wir gehen von der Defensive in die Offensive», sagte der ehemalige Verteidigungsminister.
In seinem neuen Bericht zur Finanzmarktpolitik legt der Bundesrat dar, wo er ansetzen will. Bei künftigen Regulierungen will er nationale Handlungsspielräume nutzen. Die Schweiz soll sich aber weiterhin an global anerkannten Standards ausrichten. Als offene Volkswirtschaft habe sie gar keine andere Möglichkeit, sagte Maurer.
Weil die Bedeutung internationaler Standards zugenommen hat, kann sich der Schweizer Finanzplatz weniger von anderen abheben. Zugleich würden grenzüberschreitende Finanzdienstleistungen erschwert und verteuert, heisst es im Bericht.
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Der Bundesrat setzt sich deshalb zum Ziel, den Schweizer Finanzdienstleistern ausländische Märkte möglichst offenzuhalten. Zu diesem Zweck will er Vereinbarungen mit Partnerländern abschliessen und sich dafür einsetzen, dass die EU die Gleichwertigkeit der Schweizer Regulierungen anerkennt.
Ein Finanzdienstleistungsabkommen ist in den nächsten Jahren für den Bundesrat kein Thema. Laut Maurer gehen dem Bundesrat die Bedingungen der EU zu weit. Dafür will er die Werbetrommel rühren: Das Finanzdepartement solle «eine sichtbare Rolle bei der Promotion des Finanzplatzes» übernehmen, heisst es im Bericht.
Innovation fördern
Weiter will der Bundesrat die rechtlichen Rahmenbedingungen so anpassen, dass sogenannte Fintech-Unternehmen nicht behindert werden. Dazu gehören Unternehmen, die mobile Zahlungssysteme entwickeln, virtuelle Vermögenswerte und Währungen programmieren oder Crowdfunding-Plattformen eröffnen.
Heute müssen diese strenge Bedingungen erfüllen und benötigen teilweise eine Banklizenz. Dafür fehlten ihnen aber die Mittel, sagte Jörg Gasser, der Staatssekretär für internationale Finanzfragen. Das Finanzdepartement will dem Bundesrat deshalb in den nächsten Wochen Vorschläge für spezielle Regeln unterbreiten.
Lizenz für Fintech
Laut Maurer würde die Schweiz damit weltweit zu den ersten Ländern gehören, die Spielregeln für die Fintech-Branche festlegen. Der Finanzminister sieht das als Chance für den Finanzplatz. «Wir wollen bei den Ersten und bei den Besten sein», sagte er. Erreichen will der Bundesrat das über neue Bewilligungsformen und eine «Erweiterung des bewilligungsfreien Raums».
Das Anliegen findet im Parlament Unterstützung: Vor kurzem hat sich die Wirtschaftskommission des Ständerates dafür ausgesprochen, rasch eine gesetzliche Grundlage für Fintech zu schaffen. Sie beantragt ihrem Rat, bei den anstehenden Beratungen zum Finanzdienstleistungsgesetz und dem Finanzinstitutsgesetz eine neue Bewilligungskategorie zu beschliessen, also eine Fintech-Lizenz.
Dialog mit der Branche
Im Bericht betont der Bundesrat ferner, dass künftige Reformvorhaben im Dialog mit der Branche erfolgen sollen. Ökonomische Auswirkungen sollen frühzeitig berücksichtigt und wichtige Regulierungen im Nachhinein evaluiert werden.
Das Regime für systemrelevante Banken will der Bundesrat weiterhin periodisch überprüfen. Zudem will er verstärkt auf die Systemrisiken im Immobilienmarkt und in der beruflichen Vorsorge achten. Einschneidende Massnahmen sind allerdings vorerst nicht geplant. Der Bundesrat hatte sich bereits im Sommer mit dem Problem von steuerlichen Anreizen für Verschuldung befasst und beschlossen, vorerst auf einen Systemwechsel zu verzichten.
Gleich lange Spiesse
Schliesslich will sich der Bundesrat in internationalen Gremien für eine breite Umsetzung der globalen Standards gegen Steuerflucht und Geldwäscherei einsetzen, damit die Schweiz gegenüber anderen Finanzplätzen nicht benachteiligt ist.
Ein Meilenstein der letzten Jahre war der Entscheid zur Einführung des automatischen Informationsaustausches (AIA). Im letzten Bericht zur Finanzmarktpolitik hatte sich der Bundesrat noch dagegen gestellt.
Kurz nach Erscheinen des Berichts relativierte die damalige Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf dann das kategorische Nein und tönte die Bereitschaft zu Verhandlungen an. Damit sorgte sie für Aufregung. Inzwischen hat das Parlament dem AIA zugestimmt. 2018 wird die Schweiz erstmals Daten tauschen, und zwar mit 38 Ländern und Territorien.