Bundesrat Didier Burkhalter hat seinen türkischen Amtskollegen, Aussenminister Mevlüt Cavusoglu, im Bundeshaus zu einem Gespräch unter vier Augen getroffen. Er forderte Meinungsfreiheit für Türken auch in ihrer Heimat.
Mit Blick auf die Abstimmung über die türkische Verfassungsreform ermahnte Burkhalter die Türkei, Schweizer Gesetze einzuhalten; verbotene nachrichtendienstliche Tätigkeiten würden konsequent verfolgt.
«Die Schweiz anerkennt die Meinungsäusserungsfreiheit als allgemein gültiges Grundrecht. Sie hofft, dass dieses Recht auch für die Türkinnen und Türken gilt, ob sie nun in ihrer Heimat oder in der Schweiz abstimmen», sagte Burkhalter laut einer Mitteilung aus dem Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA).
Burkhalter habe gegenüber seinem Amtskollegen Verständnis geäussert für die schwierige Lage, in der sich die Türkei nach dem Putschversuch vom vergangenen Sommer befinde. Zugleich habe er seine Besorgnis über die zahlreichen Entlassungen und Verhaftungen zum Ausdruck gebracht und daran erinnert, dass die Verhängung des Ausnahmezustandes die Türkei nicht von internationalen Verpflichtungen im Menschenrechtsbereich entbinde.
Burkhalter habe die Bedeutung der Freiheitsrechte und namentlich der Meinungsäusserungsfreiheit für die Demokratie betont. Die Schweiz erwarte von der Türkei, dass sie ihre internationalen Verpflichtungen in dieser Hinsicht respektiere, hiess es in der EDA-Mitteilung.
Todesstrafe und Ausnahmezustand
Zudem hätten sich die beiden Minister über die Standpunkte beider Seiten zu verschiedenen Themen ausgetauscht, darunter die mögliche Wiedereinführung der Todesstrafe in der Türkei, die Dauer und die Verhältnismässigkeit des Ausnahmezustandes, die Unabhängigkeit der Justiz und die Zusammenarbeit mit Institutionen wie dem Europarat.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat das Thema Todesstrafe schon mehrmals mit dem Verfassungsreferendum vom 16. April verknüpft. Dann stimmen die Türken über eine Ausweitung der Machtbefugnisse für das Staatsoberhaupt ab. Auch über die Abstimmung Mitte April hätten sich Burkhalter und Cavusoglu ausgetauscht, hiess es vom EDA.
Burkhalter rief demnach zudem die Haltung der Schweiz zur Lage im Südosten der Türkei in Erinnerung und wies erneut darauf hin, dass die Schweiz bereit sei, gute Dienste zu leisten.
Beim Austausch über regionale und internationale Aspekte stand laut dem EDA die Lage in Syrien im Vordergrund. Weitere Gesprächsthemen zwischen Burkhalter und Cavusoglu waren die Verhandlungen über eine politische Lösung für den Syrien-Konflikt und die humanitäre Hilfe der internationalen Gemeinschaft.
Starke Polizei-Präsenz
In der Stadt Bern riegelte die Polizei am Donnerstagmorgen das Gebiet um das Bundeshaus und das nahe gelegene Luxushotel Bellevue weiträumig ab. Die Bundesgasse war seit dem Morgen für den Verkehr gesperrt.
Auf Plätzen und Kreuzungen in der Innenstadt markierten Polizisten in Vollmontur Präsenz, ebenso im Elfenauquartier, wo sich die türkische Botschaft befindet.
Nach der Kontroverse um Abstimmungskampfauftritte türkischer Politiker in europäischen Städten ist die Stimmung aufgeheizt. Dies gilt auch für die Schweiz, wo Veranstalter in den vergangenen Wochen aus Sicherheitsgründen mehrere Auftritte türkischer Politiker abgesagt hatten, darunter jenen von Aussenminister Cavusoglu im Kanton Zürich. Dieser gab später bekannt, er verzichte bis auf weiteres auf einen Schweiz-Besuch.
95’000 Stimmberechtigte
Die rund drei Millionen im Ausland lebenden Türken dürfen an der Abstimmung über eine Verfassungsreform, die weitreichende Befugnisse für Präsident Erdogan vorsieht, teilnehmen. Gemäss dem türkischen Generalkonsulat in Genf sind etwa 95’000 der insgesamt rund 130’000 in der Schweiz lebenden Türkinnen und Türken stimmberechtigt.
Die Schweizer Regierung hat nicht wie die Niederlande ein Auftrittsverbot für türkische Politiker verhängt. Nach Cavusoglus Absage hatte Burkhalter mit diesem Kontakt und versicherte, dass die Meinungsäusserungsfreiheit in der Schweiz auch für die Türkei gelte.
Es spreche nichts gegen einen Auftritt des türkischen Ministers in der Schweiz in privatem Rahmen, hatte das EDA vor zehn Tagen kommuniziert. Sicherheitsüberlegungen könnten aber zu einer Programmänderung führen.
Vor allem untersagte Auftritte in den Niederlanden und auch in Deutschland sorgten für Spannungen. Deutschland hatte wie die Schweiz kein Auftrittsverbot ausgesprochen, es aber den Veranstaltern überlassen, bei Sicherheitsbedenken eine Veranstaltung absagen zu dürfen.
Die türkische Regierung reagiert scharf und stellte mehrere Male Nazi-Vergleiche an. Die niederländische Regierung hatte sich zu einem Auftrittsverbot entschieden, nachdem Aussenminister Cavusoglu für den Fall einer Behinderung seines geplanten Abstimmungskampfauftritts mit wirtschaftlichen und politischen Sanktionen gedroht hatte.