Cadagno: Wahnsinns Lasagne statt grosser Wanderung

Wer nach Cadagno reist, wird überrascht: Über Airolo – auf 2000 Metern Höhe – kann man übernachten und speisen wie ein Fürst.

Wer nach Cadagno reist, wird überrascht: Über Airolo – auf 2000 Metern Höhe – kann man übernachten und speisen wie ein Fürst.

Das Schöne an dieser Entdeckung war, dass sie eine Entdeckung war. Dieser Vorteil wird Ihnen jetzt genommen. Aber ich glaube, es landet sich dort oben auch auf Empfehlung gut. Wir fuhren von Ambri, einem Kaff nahe Airolo, das man eigentlich nur wegen seines kultigen Eishockeyklubs kennt, mit der Schienenseilbahn hoch zum Ritomsee. Wir wollten ursprünglich von hier aus eine grosse Wanderung machen. Es war jedoch schon Nachmittag und meine Begleitung nicht gut in Form.

Hinter dem See, der ein Stausee ist und trotz seiner Bekanntheit ziemlich prosaisch, hielten wir Ausschau nach Unterkunft. Ein Haufen Rustici stand da in der Landschaft, mit dabei eine Beiz, die auch Zimmer anbietet. Nichts Besonderes, aber nett, sonnig, unaufgeregt. Wir entschieden zunächst, noch etwas aufzusteigen und die nahe gelegene Capanna Cadagno anzuschauen. Man ist halt immer am Optimieren.

Dort angekommen finden wir eine neu renovierte SAC-Hütte. Von aussen ist sie architektonisch sehr gelungen. Tritt man jedoch ein, stösst man auf ein von Neonröhren beleuchtetes Regal aus gebürstetem Stahl mit ungefähr 100 Paaren verschiedenfarbiger Crocs darin. Damit die Wanderer mit ihren schmutzigen Stiefeln nicht das Haus verdrecken, klar, wie in jeder Hütte. Doch wen es bei diesem Anblick nicht augenblicklich rückwärts aus der Tür fegt, der hat kein fühlend Herz.

Alles hausgemacht

Haben wir aber und schleichen, seelisch leicht geschwächt, zurück zum Canvetto Cadagno. Dort checken wir ein und nehmen in der Gaststube Platz. Schon der Kaffee ist ziemlich gut. Auffällig ist ein Tisch mit etwa zehn selbstgebackenen Kuchen darauf, alle hausgemacht. Wer zum Henker backt zehn Kuchen für die paar Figuren, die heute am Ritomsee wandern? Wir finden keine Antwort. Die Torta della Nonna, die wir probieren, ist jedenfalls sehr gute Arbeit.

Meine Begleitung haut sich eine Weile aufs Ohr, ich tobe auf ein umliegendes Gipfelchen, anschliessend gehen wir nachtessen. Den Kaminplatz verpassen wir, obwohl ein Feuer brennt. Sie wissen ja, Sommer 2014, und dann abends auf 2000 Meter. Daher lassen wir Minestrone kommen. Das Gemüse ist frisch, die Suppe gut abgeschmeckt. Dazu gibt es Brot, fatto in casa. Am Nachbartisch nimmt eine Runde Alpöhis Platz, mit schweren Händen und tatsächlich einem Rauschebart. Locals, immer gut. Die Tortellini im Anschluss (Ricotta, Spinat) und die Lasagne (Bolognese) sind der Wahnsinn. Was ist hier los? Wir fassen es nicht. Die Gerichte könnte man auch im Hotel Krafft vorsetzen, hier im Canvetto kommen sie zu je 16 Franken.

Greinaebene – ein Alpenklassiker

Recht tiefer Schlummer umfängt uns in den schlichten Stockbetten. Tags darauf fragen wir nach Frühstückseiern. Sie kommen, jedoch in Ermangelung von Eierbechern in Kaffeetassen, die mit Salz aufgefüllt sind und so das Ei halten. Il Padrone persönlich hat das angerichtet. Ein reizender Mensch, der auf die Frage nach der Adresse zum Telefon greift, weil er die Visitenkarten nicht findet. Nun müssen wir fort. Auf der Rechnung stehen 200 Franken. Wir haben zu zweit vom Nachmittagskaffee bis zum nächsten Mittag (weil mit Picknick) köstlich gelebt.

In der nächsten Nacht schlafen wir in Acquacalda, gleich unter dem Lukmanierpass. Hier gibt es ebenfalls gute Unterkunft, etwas glatt, aber wertig gemacht. Auf der einen Seite verläuft zwar die Passstrasse, dafür geht auf der anderen Seite ein herrlicher Bach, an dem man zelten kann und Jurten mieten (mit alten Holzkaminen). Tags darauf steigen wir, nach einer hübschen Busfahrt, zur Greinaebene auf. Sie verbindet das Tessin mit Graubünden und gilt als eine der wildesten Gegenden des Landes. Von diesem Alpenklassiker einem Schweizer Publikum vorschwärmen, heisst natürlich Eulen nach Athen zu tragen. Wobei: An den Wallfahrtsorten der Heimat war man ja doch immer noch nicht.

  • Speisen, nach Möglichkeit rechtzeitig zum Kuchen kommen, übernachten, Picknick mitnehmen: Im Canvetto Cadagno, www.canvettocadagno.ch
  • Übersteigen: Den Passo del Sole, vom Ritomsee ins Valle Santa Maria, dessen höchster Punkt der Lukmanierpass ist.
  • Nochmals einkehren: Unterhalb des Passes in Acquacalda. Same procedure wie am Tag zuvor, hier aber in der Jurte übernachten. www.pronatura-lucomagno.ch
  • Weiterwandern: Nach einer Busfahrt von Acquacalda über Olivone nach Pian Geirett hoch zur Greinaebene. Stramme Läufer steigen direkt Richtung vorderes Rheintal ab. Eine weitere Übernachtung in der spektakulär gelegenen Terrihütte dürfte ein Erlebnis sein. www.terrihuette.ch

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