Die frühere SP-Bundesrätin Micheline Calmy-Rey spricht sich für die Volkswahl des Bundesrates aus. Die Regierung würde über eine grössere Legitimität verfügen. Und die Volkswahl wäre positiv für das Gleichgewicht zwischen Bundesrat und Parlament, sagte sie.
«Volksabstimmungen und Volkswahlen sind ein Grundprinzip unseres demokratischen Systems», sagte Calmy-Rey in einem Interview der «Schweiz am Sonntag». «Unsere Nachbarländer, in denen das Volk die Regierungschefs wählt, leben ja ebenfalls gut damit», sagte sie weiter.
Ein Bundesrat habe in der Schweiz ein Siebtel der Macht eines Regierungschefs. «Ich sehe deshalb nicht ein, weshalb die Volkswahl ausgerechnet bei uns nicht möglich sein sollte.»
Die Initiative der SVP sei nicht perfekt. Wenn sie von der SP käme, würde sie wohl ein Wahlverfahren nach dem Proporz- statt nach dem Majorzsystem vorsehen. «Aber bei der Abstimmung geht es um das Prinzip, und das finde ich richtig», sagte sie.
«Aus meiner Zeit als Regierungsrätin in Genf weiss ich, dass die Regierung über eine grössere Legitimität verfügt, wenn sie direkt vom Volk gewählt wird», sagte Calmy-Rey weiter. Das Gleichgewicht zwischen Bundesrat und Parlament sei heute gestört: Das Parlament habe gegenüber der Regierung zu viel Gewicht.
Ein bisschen mehr Führungsstärke würde dem Bundesrat aber guttun. Die Volkswahl des Bundesrates wäre deshalb positiv für das Gleichgewicht zwischen Bundesrat und Parlament. Man höre ja oft die Klage, dass die Regierung eine Visionen habe und ihre Führungsverantwortung nicht wahrnehme. Das hänge mit eben diesem gestörten Gleichgewicht zusammen.
Griffige Gesetze gefordert
US-amerikanische Zustände mit teuren Wahlkämpfen fürchtet sie nicht. Der Einfluss von Geldgebern liesse sich einschränken, indem man griffige Gesetze über die Finanzierung von Wahl- und Abstimmungskampagnen erlasse. Bundesrat und Parlament hätten die Möglichkeit dazu.
Auf die Frage, wie sich die Zusammensetzung des Bundesrats ändern würde, sagte die frühere Aussenministerin: «Das hängt von den Persönlichkeiten ab, die sich zur Wahl stellen.»
Positiv finde sie, dass Kandidaten aus der Romandie gut Deutsch sprechen müssten, wenn sie in der ganzen Schweiz Wahlkampf machen wollten – und die Deutschschweizer müssten Französisch beherrschen. Das stärke den Zusammenhalt.