Michail Chodorkowski hat die Schweiz um ein Visum ersucht. Dass nicht nur er, sondern auch andere Kreml-Kritiker wie die Pussy-Riot-Aktivistinnen begnadigt wurden, begrüsst er: «Die Freilassung von politischen Gefangenen macht die Machthaber wenigstens ein bisschen humaner.»
Der russische Kreml-Kritiker Michail Chodorkowski hat die Schweiz um ein Visum ersucht. Der ehemalige Öl-Milliardär will im Januar in die Schweiz reisen, wo seine Söhne zur Schule gehen. Das sagte ein Sprecher des 50-Jährigen am Dienstag der Nachrichtenagentur dpa in Berlin. «Es ist aber noch keine Entscheidung getroffen worden für irgendwelche langfristigen Pläne», fügte er hinzu.
Bei der Schweizer Botschaft in Berlin deponierte Chodorkowski einen Antrag auf ein dreimonatiges Schengen-Visum. Die Botschaft habe den Antrag entgegengenommen, teilte das Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) auf Anfrage mit.
Die Botschaft stehe zur Bearbeitung in Kontakt mit dem Bundesamt für Migration (BFM). Da das Verfahren vertraulich sei, würden bis zum Entscheid keine weiteren Informationen veröffentlicht, hiess es weiter.
Chodorkowski war vergangene Woche nach über zehnjähriger Haft begnadigt und freigelassen worden. Zur Zeit weilt er in Berlin, wo er mit seiner Familie Weihnachten und den Jahreswechsel verbringen will. Deutschland stellte ihm ein Visum für ein Jahr aus.
Der Kreml-Kritiker will nicht nach Russland zurückkehren, wo ihm nach eigenen Angaben eine millionenschwere Zivilklage droht. Er hat nach offiziellen Angaben 17,5 Milliarden Rubel (rund 480 Millionen Franken) Schulden beim russischen Staat. Die Summe geht zurück auf ein umstrittenes Strafverfahren von 2003 wegen Steuerbetrugs beim mittlerweile zerschlagenen Ölkonzern Yukos.
Pussy-Riot-Freilassung gelobt
Der Ex-Öl-Milliardär lobte die vorzeitige Haftentlassung der zwei Aktivistinnen der Punkband Pussy Riot.
«Die Freilassung von politischen Gefangenen macht die Machthaber wenigstens ein bisschen humaner», teilte der 50-Jährige auf seiner Internetseite mit. «Ich weiss, dass die vergangenen Monate für Sie eine echte Hölle waren», hiess er in der Mitteilung des früheren Putin-Kritikers.
Im Gegensatz zu den Künstlerinnen hatte Chodorkowski sich von Putin begnadigen lassen. Die nach einer Protestaktion gegen den Kremlchef zu zwei Jahren Straflager verurteilten Frauen Nadeschda Tolokonnikowa und Maria Aljochina hatten ein Gnadengesuch abgelehnt. Die wegen Rowdytums verurteilten Aktivistinnen kamen nun im Zuge einer Massenamnestie frei – vor ihrem Haftende im März.
«Und bin froh zu erfahren, dass die Misshandlung, die eines europäischen Landes des 21. Jahrhunderts unwürdig ist, nun beendet ist», hiess es in Chodorkowskis Mitteilung. «Das Wichtigste ist jetzt wahrscheinlich, in sich selbst die Kraft zu finden, um im Herzen nicht Hass und Bitterkeit zu bewahren, nach diesen schweren Prüfungen der Gefängnishaft.»