Claudio Fäh «chlepft und tätscht» in Hollywood

Der Filmregisseur Claudio Fäh stammt aus Altdorf und ist in Hollywood angekommen. Mit «Northmen: A Viking Saga» läuft ein Seefahrer-Film in den Kinos. Kommt da wieder ein Talent dem Schweizer Film abhanden? Das haben wir ihn gleich selber gefragt. Er wirkt wie ein Entertainer, macht aber kein grosses Tamtam um seine Person. Claudio Fäh ist Film-Regisseur, […]

Der Filmregisseur Claudio Fäh stammt aus Altdorf und ist in Hollywood angekommen. Mit «Northmen: A Viking Saga» läuft ein Seefahrer-Film in den Kinos. Kommt da wieder ein Talent dem Schweizer Film abhanden? Das haben wir ihn gleich selber gefragt.

Er wirkt wie ein Entertainer, macht aber kein grosses Tamtam um seine Person. Claudio Fäh ist Film-Regisseur, Produzent und Drehbuchautor. Der gebürtige Urner hat einen Wikingerfilm im Actionformat gedreht. Ausgerechnet ein gebürtiger Binnenländer nimmt sich einer Seefahrergeschichte an? Bemerkenswert. Auch die Budgets, mit denen er operiert. 10 Millionen etwa für «Northmen», davon träumen die meisten Schweizer Filmemacher. Wir haben ihn nach einer Voraufführung in Basel zum Gespräch getroffen.

Herr Fäh, Ihr Name kommt vom «Veh», sind also Nachfahre von Bauern. Woher rührt Ihr Interesse für Seefahrer?

Claudio Fäh: Als der Produzent es mir anbot, wusste ich sehr rasch, was ich wollte: Naturgewalt. Natürliche Gewalt filmisch erkunden, das heisst, sie soll vor Augen geführt werden – obwohl sie eigentlich hinter den Augen – im Kopf des Zuschauers – passiert. Film ist hierfür ein hervorragendes Genre.

Wirklich Martial-Art? Was sind dann die Vorbilder?

Ich will Gewalt nicht hübsch machen. Ich will mit Kampf Geschichten erzählen. Es gibt in dem Genre weit unterschätzte Könner. Ich zähle John Hyams («Unversal Soldier 3») dazu. Sergio Leone ist sicher ein direktes Vorbild.

 

«Northmen» besticht durch spektakuläre Kampfszenen. Mehr nicht?

Ein Film ist attraktiv, wenn der Kampf eine Geschichte enthält. Der Western hat im Film diese Form entwickelt. Kampf kann interessant sein, wenn er aus der Handlung begründet wird, wenn er Figuren erzählt. Der Mönch Rayan Quanten spielt einen religiösen Exzentriker, der gegen fremde Religionen eingestellt ist. Sein Kampf ist auch Ausdruck seines Innenlebens. Er durchläuft mit der Figur eine Entwicklung: Er entdeckt, dass die Wikinger Hilfsbereitschaft nicht predigen wie die Christen, sondern praktizieren.

Nähern Sie sich schweizerischen Motiven?

Eher Unschweizerischen? Aber das ist nicht das richtige Wort: Eigenen vielleicht. Peter Luisi, Michael Steiner, Ivan Engler machen auch ihre eigenen Dinge. Es gibt eine Herangehensweise, die uns verbindet: Wagemut. Als ich den schwedischen Musiker Johan Hegg, der einen der Wikinger spielt, treffen sollte, habe ich gesagt: «Da zieh ich mir einen Helm über, wenn der bei uns mitspielt!» Den zu besetzen ist Wahnsinn. Das ist eine volle Heavy-Metal-Bolide. Aber dann war das ein relaxter Mensch. Stellen Sie sich vor: Der machte auf dem Set Yoga!  

In voller Wikinger-Montur?

Aber ohne Waffen. Das ist dann auch ganz verreckt gewesen! Als Wikinger werden sie ja unbewaffnet an Land geworfen. Klar müssen sie erst einmal Waffen erobern. Darrell D’Silva als Gunnar wirft sich erst einmal dem Pferd mit waffenloser Wucht entgegen. Und er weiss, wie man das mit Spass spielt: Er macht es auch in der« Royal Shakespeare Company». Er geht in die Rolle wie ein junger Hund.

Er macht das auch mit Humor, als ein Recke, der alles wagt. Sogar einen Sturz von der Hängebrücke.

Es gehört auch zu einer guten Geschichte, dass er dennoch wieder auftaucht: Allerdings nicht ganz unbeschadet. Er hat eine Zahnlücke.

Das war Ihr Vorschlag?

Seiner! Filme machen heisst auch, dass mitten in der Arbeit die wichtigen Entdeckungen gemacht werden: Charlie Murphy hat mir als Inghean mit ihrem Spiel immer wieder die Augen geöffnet für die Geschichte: Jetzt bricht der Turm zusammen, als ihre Welt zusammen bricht.

Shakespeare hat zum Beispiel in «Troilus und Cressida» mit Kampf und Kämpfern eine Liebesgeschichte erzählt. Hier schwingt die Liebe nur schwach mit.

Es ist ja eigentlich ein Fehler der Flüchtlinge, sich für die Frau einzusetzen. Die Liebesgeschichte ist eine Mutgeschichte.

Sie hatten ein Budget von 10 Millionen. Dafür macht man in der Schweiz zwei, drei Filme…

Weil Filme auch bestenfalls nicht mehr einspielen. Dennoch versucht jeder Filmer, den Look des Filmes optimal zu gestalten. Wir kamen oft an unsere Grenzen: In der Kälte von Südafrika habe ich mich manchmal ein wenig wie Werner Herzog gefühlt… Wir hatten echt extreme Drehorte.

«In der Kälte von Südafrika habe ich mich ein wenig wie Werner Herzog gefühlt.»

Mit einem Team, das auch an seinen Aufgaben wächst?

Da sind auch andere Schweizer dabei: Peter Staubli hat beim letzten «James Bond» als Sounddesigner gearbeitet. Wir sind schon lange befreundet. Markus Trumpp, der Komponist, lebt auch in Amerika.

Sie haben fast in jedem Bereich ein Team. Sind Sie kein Einzelkämpfer?

Das brauche ich. Ich brauche Teams: für das Drehbuch, die Dreharbeiten, die Postproduktion. Das Team wird jedes Mal neu gemischt. Der Schnitt war diesmal in Berlin, weil von da Geld kam.

Der Film ging also an der Schweiz und den Schweizer–Film-Firmen vorbei?

Obwohl wir eine sehr hohe Schweizer Beteiligung hatten, kriegten wir kein Geld aus der Schweiz. Deutschland hat hingegen investiert.

Spielt den wirklich bösen Bösen: Anatole Taubman.

Anatole Taubman, der wirklich böse Böse, ist ein Teil der Schweizer Beteiligung. Man sieht ihn gerade auch im «Kreis». Aber man sieht ihn selten als Haudegen.

Ihn muss man zu nichts anspornen. Wenn der auf Tom Hopper trifft, der mehr als einen Kopf grösser ist, macht er das mit Energie wett.

Machen Sie heimlich Kung Fu?

Nein. Ich bin Pazifist.

Und doch haben Sie Militärdienst gemacht?

Bei der Musik! Filmisch aber würde mich die Schlacht von Morgarten reizen…

Sie haben «Northmen» selber geschnitten…

Mir muss man den Film am Schluss aus den Händen nehmen. Ich bin gerne der letzte Mann.

Sie haben in L.A. studiert?

Ich habe da angefangen. Und solange es weiter klappt, werde ich da bleiben. In den Staaten spielt das keine Rolle, wo man herkommt. Amerikanischer Esprit enthält das Angebot zur Zusammenarbeit.

Wäre das für den Schweizer Film nicht auch nützlich?

Wir sind ein zu kleines Land, um isoliert zu bestehen.

Was ist Ihr Traumfilm, den Sie machen werden?

Mein Traumfilm ist immer mein nächster Film. Ich habe drei, vier Projekte vor mir. Neues Genre. Eine Liebesgeschichte aus dem Jugoslawienkrieg. Mit einem ehemaligen CNN-Journalisten. Dann ein Krimi-Thriller. Dann wird es wieder Action sein. Und dann folgt wieder ein Schlachten-Epos in Russland. Und die Geschichte des Dänen Toko, der im 12. Jahrhundert gezwungen wird, eine Haselnuss vom Kopf seines Sohnes zu schiessen.

Ah? Dänemark?

Hätte Shakespeare nicht «Hamlet» geschrieben, wäre «Sein oder nicht sein» vielleicht ein Zitat aus «Toko, Prinz von Dänemark», und Schiller hätte vielleicht darauf verzichtet. Nun meine halbe Verwandtschaft ist in Altdorf in Sachen Tell tätig. Aber da müsste ich mehr Neues erfinden dürfen.

Sie haben jetzt immerhin historische Etüden gemacht: Verbrüderung, Heldentum, Solidarität der Gegensätze etc. Nähern Sie sich doch Themen aus der Schweiz? Mittelalter?

Ja, ganz spannend für mich: Die Reisläuferei. Ganz Europa kaufte damals die Schweizer Söldnertrupps ein. Der Papst. Der französische König. Der Zar. Verwandte kämpften in Regimenten gegeneinander unter fremden Fahnen. Ich stand vor kurzem vor einem Herrenhaus in Altdorf: Woher kam das Geld? Von den Söldnerregimentern. Eine Art Sklavenhandel. Historisch auch interessant wäre diese russische Armee, die über die Schweiz ausweichen wollte und dann hier gestrandet ist. Tausende von geflohenen Soldaten um General Suworow.

Gab’s damals ein Regiment Fäh?

Eher nicht. Ich habe kein Söldnerblut. Ich bin ein Schisshaas… 

Wo geht’s als nächstes hin?

Nach Hause…

Altdorf?

Culver City.
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«Northmen» läuft u.a. in den Basler Kinos Küchlin (Pathé) und Capitol (Kitag).

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